Aktueller könnte Maja und Reuben Fowkes’ Art and Climate Change in Hinblick auf die jüngste Rezession und die Grenzen des neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, welches auf diverse Formen der Ausbeutung angewiesen ist, nicht sein. Die umfangreiche Publikation präsentiert sich im Taschenbuchformat und ist ein Wegweiser durch globale künstlerische Praktiken, die sich explizit mit den Konsequenzen des Klimawandels auseinandersetzen. Soziales Bewusstsein, alternative Zukunftsbilder und das Sichtbarmachen bzw. Hinterfragen von Ungleichheit, oft mit Blick in die (koloniale) Vergangenheit, vereinen die vielfältigen künstlerischen Zugänge, die von den Fowkes behandelt werden. Art and Climate Change lenkt, durch die Vorstellung von genreübergreifenden Arbeiten, die Aufmerksamkeit von einer menschenfokussierten Weltordnung auf eine, in der andere Lebewesen dem Menschen gleichgestellt sind (bzw. seine Position infrage stellen).
Teil eins („Many Anthropocenes“) thematisiert den künstlerischen Umgang mit Herrschaftssystemen, etwa dem Kapitalismus oder in der Vergangenheit auch dem Sozialismus, welche die Natur einer brutalen Rohstoffgewinnung unterziehen. Künstler*innen setzen sich mit historischen Ausbeutungsformen auseinander, die sich in unsere natürliche Lebenswelten eingeprägt haben. Oft greifen sie dabei auf persönliche Traumata zurück, romantisieren dabei aber auch Einheimische und deren innige Beziehung zum Land.
Wie Teil zwei („Reconfiguring the Geosphere“) zeigt, sind engagierte Künstler*innen bemüht, ein öffentliches Bewusstsein für die Klimakrise zu schaffen und auf die Empfindlichkeit der Geosphäre hinzuweisen. Der Boden, Flüsse, das Meer, Eis und Schnee sowie der Himmel werden zum Gegenstand von Kunstwerken, denn sie bleiben nicht unberührt vom menschlichen Eingriff. Kosmische und spirituelle Zugänge kommen hier genauso zum Vorschein wie fiktive Narrative und Fremdenbilder. Auch in dieser Hinsicht legen Künstler*innen Wert drauf, dass die Umwelt eine gleichgestellte Entität der Humangesellschaft bilden sollte.
Im dritten Teil wird der Fokus auf Pflanzen verlagert, deren Status als empfindsame und vielseitige Lebewesen in Zeiten des Klimawandels eine Neubewertung erfährt. Ihre Kommunikationsnetzwerke, Symbiose mit anderen Lebewesen und zudem nicht-binäre Sexualität gehören zu den bevorzugten Untersuchungsgegenständen. Der falsche Rationalismus, Ordnungszwang und korrupte kapitalistische Koalitionen, um nur wenige Beispiele zu nennen, werden häufig einer künstlerischen Kritik unterzogen. Besonders spannend sind Maja und Reuben Fowkes’ Gedanken zur Analogie zwischen dem Umgang mit fremden Menschen und den sogenannten „invasive species“ unter den Pflanzen. Wie importierte Pflanzen der lokalen Artenvielfalt nutzen, könnte auch auf die menschliche Äquivalente übertragen werden.
Auf Pflanzen folgen in Teil vier („Animal Solidarities“) die Tiere, welche ab dem 17. Jahrhundert ebenfalls dem Menschen untergeordnet galten. Viele sind heute der Ansicht, dass die Diskriminierung vom Nichtmenschlichen eine Grenze erreicht hat und die Beziehung von Menschen und Tieren vielmehr auf „compassion, kinship and care“ beruhen sollte. Eine Partnerschaft von lebenden Organismen (ganz nach dem Muster von Mikroben) wäre ein Schlüssel für Harmonie und eine grundlegend solidarische Haltung. Die Wirtschafts- und Gesellschaftskritik, die den diskutierten Arbeiten inhärent ist, spiegelt sich auch in der institutionskritischen Annäherung an naturhistorische und ethnografische Museen wider, die entgegen aller Hierarchisierungen nunmehr Regenerationsprogramme und die Aufrechterhaltung von Spezies als Ziele verfolgen.
Im abschließenden Teil von Art and Climate Change („Pluriversal Ecologies“) wird die Kritik von Künstler*innen um Lösungsversuche und antikapitalistische Alternativen einer ökologischeren Lebensweise ergänzt. Die Offenheit anderen Spezies und anderen „other-than-human perspectives“ gegenüber wäre ausschlaggebend, um verankerte Einstellungen und Handlungsmuster schrittweise aufzulösen. Grund für Optimismus sind dekoloniale, antirassistische und ökologische Entwicklungen in Wissenschaft und Wirtschaft, die eine plurale Wiedervereinigung mit der Natur, in Gemeinschaft miteinander, ermöglichen können. Künstler*innen distanzieren sich von technokratischen Zukunftsspekulationen und „Erd-formungsprojekten“ und denken in Richtung einer anderen Zukunft: „Liberating the futuristic imaginary from the linearity of progressive time, artists have challenged Western modernist utopias that perpetuate present and past exclusions and hierarchies, making possible through a subversive cosmotechnics the collision of the pre-modern past with post-petrol futures.“
Insgesamt bietet das Buch einen Überblick über die jüngste klimabewusste Kunst, das als zugängliche, scharfsinnige Lektüre mit Sicherheit zu einem Standardwerk avancieren wird. Der Charakter des Überblickhaften hat zur Folge, dass viele Werkanalysen nicht in die Tiefe gehen – kompensiert wird dies jedoch durch die Breite der Fallbeispiele und Untersuchungsaspekte. Enthusiast*innen von konzeptuellen Arbeiten sowie von Artistic Research werden in Art and Climate Change mit zahlreichen Referenzen verwöhnt. Obwohl die künstlerischen Strategien, die den Gegenstand der Publikation bilden, Kritik, zu ihrer Grundposition machten, begegnen die Autor*innen den behandelten Arbeiten nicht mit der gleichen Skepsis. Die Einschätzung der Beziehung von Kunst und Klimawandel, unter zunehmendem (Zeit-)Druck, überlassen Maja und Reuben Fowkes den Leser*innen.