Heft 3/2022 - Artscribe


Emergency Exit

3. Dezember 2021 bis 11. September 2022
Museum of Contemporary Art Metelkova (+MSUM) / Ljubljana

Text: Milena Dimitrova


Ljubljana. Heute stehen Diskurse um Klimakrise, politische Ökologie und Entschleunigung den die letzten Jahrhunderte dominierenden Ideen von Fortschritt und Wachstum gegenüber. Spiritualität und Esoterik scheinen ein Revival zu erleben und fließen in das ökologische Denken ein. Eine erspürte sowie symbiotische Verbundenheit des Menschen mit der Pflanzenwelt und der Erde erscheint als Grundlage für nicht nur kosmetische Reparaturen an der Oberfläche und gegen eine weitere Objektifizierung der Natur.
Emergency Exit im +MSUM in Ljubljana trägt zu diesem Diskurs mit einigen Werken zeitgenössischer slowenischer Künstler*innen bei sowie mit Werken der 1960er- und 1970er-Jahre, die bisher wenig unter dem Gesichtspunkt der Ökologie und Umwelt untersucht wurden. Die Ausstellung schließt dabei an The Penumbral Age. Art in the Time of Planetary Change 2020 im Museum of Modern Art in Warschau an. Diese zeigte ebenso gegenwärtige künstlerische Positionen und solche der 1960er- und 1970er-Jahre der Land Art, Arte Povera, Konzeptkunst und Anti-Form und unter dem Vorzeichen der Umweltthematik. Einen kleinen Teil dieser Schau von 2020 hat das +MSUM auch in die aktuelle Ausstellung integriert. Besonderen Raum nimmt in Emergency Exit darüber hinaus das Werk der Künstlergruppe OHO ein, die in den 1960er- und 1970er-Jahren Arbeiten der Konzeptkunst und Arte Povera realisierte, sowie kleinere Arbeiten der Land Art mit einem ökologischen und esoterischen Zugang. Die Gruppe lebte als Kommune und befasste sich damit, eine harmonische Einheit zwischen Universum, Natur und Mensch und eine nicht-hierarchische Welt ohne Unterscheidung zwischen Menschen und Dingen zu erarbeiten. Ihre Philosophie des Reismus zeigt so Parallelen zu den gegenwärtigen Diskussionen um das Postanthropozän. In Kim Beoms A Rock that Learned the Poetry of Jung Jiyong (2010) erklären Expert*innen über zwölf Stunden lang einem Stein das Werk eines modernen Poeten. Die Arbeit ist von der animistischen Überzeugung getragen, dass Objekte eine eigene spirituelle Essenz besitzen und davon, dass modernes Wissen Machtverhältnisse widerspiegelt und abgespalten ist von komplexer, magischer Realität.
Trotz solcher Parallelen entstanden die heutigen wie die älteren Werke in Emergency Exit in unterschiedlichen geschichtlichen Kontexten. Der Ausstellung fehlt es an einer Verankerung der älteren Werke innerhalb von Ereignissen und dem sozialen, kulturellen, politischen Kontext ihrer Zeit. Was weiters auch deutlich wird, ist das Fehlen einer Geschichte der ökologisch engagierten Kunst und Umweltkunst.
Die zeitgenössischen Werke in Emergency Exit handeln von unserem Verhältnis und unseren Bezugsweisen zur Natur und spiegeln diese wider. Robertina Šebjanič, Sofia Crespo und Feileacan McCormicks Installation AquA(I)formings – Interweaving the Subaqueous (2021) reflektiert die Möglichkeit einer empathischen Beziehung zu mehr-als-menschlichen Wesen, konkret zur Großen Steckmuschel, deren Lebensbedingungen durch Verschmutzung verändert sind. Das alte Paradigma von Untersuchung, Systematisierung, Katalogisierung und auch die objektifizierende Ästhetisierung der Natur wird hier jedoch nicht verlassen oder überwunden, sondern durch Künstliche Intelligenz ersetzt. Die Installation von Neža Knez The Same Sweat Still Flows through the Same Pores, #3 (Textures) (2020–22) nimmt ebenso die Geschichte der Untersuchung und Systematisierung der Natur – in Herbarien etwa – als Ausgangspunkt, den es zu durchbrechen gilt. Hier geschieht das humorvoll und in einem Szenario, in dem dieses Unterfangen so weit ins Absurde geht, bis die Künstlerin/Forscherin sich in einer Expedition oder einem Leben in der Natur verliert. Die Arbeit von Maja Smrekar Survival Kit for the Anthropocene – Trailer (2015) vereint lokale slowenische organische, pflanzliche und kulturelle Materialien und Elemente, die im modernen Kapitalismus unterschiedslos am Verschwinden sind, zu einer Vorrichtung für das Überleben in der Natur und einen Rückzug dort hin. Ornamente, die der lokalen Folklore entlehnt sind, schmücken das zugleich ästhetische wie praktische Objekt.
Um unsere verborgenen kognitiven Fähigkeiten, mit der Natur in Verbindung zu sein, geht es in Natalia LLs Performance Pyramide (1979). Ihre Arbeit ist vor allem unter dem Vorzeichen feministischer Kunst bekannt. Dass sie sich in den 1970er-Jahren auch spirituellen Themen zuwandte, steht im Zeichen des damaligen Zeitgeists. Die zweite Hälfte der 1960er- und der Anfang der 1970er-Jahre sahen eine Intensivierung der Friedensbewegung und das Aufkommen der feministischen und antirassistischen Bewegungen. Ebenso formierte sich zu dieser Zeit die Umweltbewegung und nicht zuletzt war es die Zeit von New Age.
Ein Chronist dieser Periode des damals von sozialen Widersprüchen geplagten Japans war Mitsutoshi Hanaga. Er fotografierte die Avantgardekunstszene, Undergroundtheater, die Studentenbewegung, Butoh. Und auch die Pilgerreise einer Sekte buddhistischer Mönche um 1970, für die diese den Namen Jusatsu Kito Sodan annahmen – „Gruppe von Mönchen, die den Fluch des Todes bringt“–, gerichtet gegen Betreiber von Fabriken, die Anteil an der massiven Umweltverschmutzung hatten. Vordergründig wird diese Aktion als radikale, aktivistische Praxis und Performance interpretiert, die Tradition dieser Mönche kennt allerdings auch die „abhicara“ oder „schwarze Magie“. Man ist an Hakim Beys Entwurf des „poetischen Terrorismus“ erinnert und fragt sich, welche Einflüsse den Autor inspiriert haben, der in der Kunstwelt wie auch in nicht-westlichen Kulturen aktivistisch versiert war.
So gilt es heute auch herauszuarbeiten, in welcher Form die New-Age-Bewegung, Spiritualität, Umweltdenken sowie Aktivismus in den 1960er- und 1970er-Jahren von Bedeutung für Künstler*innen und deren ökologisch engagierte Werke waren.