Heft 3/2022 - Artscribe


Katrina Daschner – BURN & GLOOM! GLOW & MOON! Thousand Years of Troubled Genders

30. Juni 2022 bis 30. Oktober 2022
Kunsthalle Wien / Wien

Text: Melanie Letschnig


Wien. Als Sissy Spacek 1976 in Brian de Palmas Carrie in Gestalt der titelgebenden Prom Queen strahlend auf der Bühne des Ballsaals ihrer Highschool steht und im Moment schwelgt, zittert bereits der mit Schweineblut gefüllte Kübel über ihrem Kopf. Katastrophe in Zeitlupe. Die Festgemeinde – im ersten Moment schockiert – brüllt nach dem Erguss vor Lachen, allerdings nicht lange. Denn Carrie schlägt mit voller Wucht zurück und mischt die Körper der Gehässigen mit den Versatzstücken eines Teenager-Traumabend-Mobiliars todbringend auf.
Katrina Daschner paraphrasiert diese Filmszene in ihrer von Övül Ö. Durmuşoğlu für die Kunsthalle Wien kuratierten Werkschau und die bezugnehmende Installation bringt typische Merkmale ihrer Arbeitsweise auf den Punkt: Lust an der Referenz, Verrätselungen bei gleichzeitiger Offenlegung. Auf das popkulturelle Vorwissen der Betrachter*innen bauend, interpretiert Daschner die finale Eskalationsszene aus Carrie durch Andeutungen und Auslassungen um und eröffnet so eine verwegene Safety-Zone, die sowohl in den großen Darkroom der Ausstellung führt, als auch den Blick in den hellen Innenhof des Museumsquartiers freigibt. Wir haben die Wahl und die Entscheidung fällt leicht.
Hiding in the Lights heißt ein Film von Katrina Daschner aus dem Jahr 2013 und der Titel steht programmatisch für die Zugangsweise der Künstlerin zum von ihr über die Jahre erschaffenen Kosmos, in dem gleißender Glamour in strenger Zentralperspektive und natürliche Uneindeutigkeit ineinanderfließen. Der Aufbau der Ausstellung in der Kunsthalle unterstützt diese gezielte Verwirrnis, haptisch anmutende Hinweise – prominent platziert – führen wie Wegweiser in die überschwänglichen Makroversen von Katrina Daschner hinein und aus ihnen heraus, wenn beispielsweise die Filmleinwand in Form eines silbern glänzenden Sees am Boden ausrinnt und so den Raum der Wahrnehmung erweitert. Im ersten Moment traut sich die Autorin nicht, den Fuß auf diese Fläche zu setzen. An anderer Stelle ist dies unvermeidlich, um in die nächste Kammer des Begehrens zu gelangen, wo ich hinwill. Dort taucht die Vagina Dentata, durch die die Besucher*innen in den großen Ausstellungsraum gelangen, als Motiv wieder auf. Passieren ist eine jener Bewegungen, die in unterschiedlichen Intensitäten forciert wird. Auch das Ensemble, mit dem Katrina Daschner über die Jahre auf der Bühne und in ihren Filmen arbeitet, vollzieht diese Bewegungen, die Mitglieder stampfen, schreiten, gleiten von einer Erscheinungsform in die nächste. Dementsprechend verdichten die Perspektiven, die die Ausstellungsarchitektur ermöglicht, den Zusammenhang zwischen einzelnen Exponaten, die synchrone Schau legt offen, dass hier alle Elemente zeitlich gewachsen miteinander verwoben sind.
Gleich bei Eintritt in die Kunsthalle wird der*die Besucher*in von den Performanceanfängen Daschners in Tanz2000 auf Hantarex-Monitoren empfangen, in unterschiedlichen Outfits und/oder Kostümierungen transformiert sie eine Wohnung zur Disco. Party als Inszenierung exzessiver Körper im Kollektiv ist eine Kernkompetenz von Katrina Daschner, Projekte wie der Salon Lady Chutney (gemeinsam mit Johanna Kirsch und Stefanie Seibold), die Band SV Damenkraft (gemeinsam mit Sabine Marte, Gin Müller und Christina Nemec) und der Club Burlesque Brutal mit den zahlreichen Verbündeten, den sie als Professor La Rose gehostet hat, zeugen davon.
Pose und Pink dominieren und tauchen gemixt in den zu Tanz2000 gehörigen Fotocollagen neu zusammengestellt wieder auf. Das Gesicht gespickt mit „Zuhältern“, wie Daschner die in Handarbeit hergestellten Masken nennt, ermöglichen Wandlung, dazu gehören gehäkelte Rüsselpenisse ebenso wie Vollbärte aus Stoff mit Animalprint. Die Vermittlung einer haptischen Qualität ist der Künstlerin wichtig, dies belegen auch die Skulpturen aus gefärbtem Kunsthaar, die wie Angeln im Raum stehen und nach der Aufmerksamkeit des*der Betrachter*in fischen, Sister Siren lautet der Titel dieser Arbeit. Ich höre mit den Augen und gebe mich der Wiedererkennung und der Assoziation hin, von zwei gigantischen Leinwänden in eine Nebellandschaft hineingesogen, in der Körperteile im Close-up eine Ästhetik des Begehrens derart opulent stilisieren, dass ein Hineinflutschen in die Hingabe an diese Bilder und die dazugehörigen Sounds vollkommen unvermeidlich ist. Nie spricht jemand, alles ist Atmosphäre und akustisches Blicksignal.
Durch den Nebenraum drängt sich bereits das Schneegestöber aus Pferdebusen in die Aufmerksamkeit und da ist es wieder, das Kunst-, jetzt Pferdehaar, Pferdearsch, Arsch auf Leder, nach einer Zeit hebt sich die Unterscheidung zwischen Tier und Zwischentier und Mensch gänzlich auf, sie verschmelzen zu einem Körper. Daschner dekonstruiert den Fetisch nicht nur, durch ihr Neuarrangieren seiner einzelnen Komponenten wird er umso verführerischer. Alles gehört zusammen, kein Element ist wichtiger als das andere, essenziell festgeschriebene Ordnungen, die auf dem Prinzip Trennung beruhen, werden hier aufgelöst.