Wien. Kollaboration ist zu einem Schlagwort geworden, das als produktive Arbeitsweise oder zutiefst virtuoser Akt dargestellt wird. Was erreicht sie als künstlerischer Prozess und Methodik? Oder, genauer gesagt, welche Relevanz hat sie in einer Zeit konvergierender soziopolitischer und ökologischer Krisen? Kunst ist kein Mittel, um eine Welt in der Krise zu reparieren, aber sie ist ein Versuch, ihr einen Sinn zu geben. Kollaborationen ist ein solcher Versuch. Die von Heike Eipeldauer und Franz Thalmair kuratierte Ausstellung Kollaborationen umfasst Werke aus der mumok-Sammlung und veranschaulicht die vielfältigen Formen unserer Zusammenarbeit – von Künstlerpaaren und -kollektiven bis hin zu künstlerischen Bewegungen und den daraus resultierenden Phänomenen der Zusammenarbeit wie Interdisziplinarität als Prozess und kollektive Methoden des Kuratierens, Ausstellens und Publizierens.
Bei der Betrachtung der Kunstwerke in Kollaborationen war mein primärer Bezugspunkt immer Südafrika, wo ich lebe und arbeite. Bildende Kunst, Literatur und Performance wurden eingesetzt, um den Kampf Südafrikas gegen die Apartheid zu verstärken, und sind nach wie vor wichtig für den Aufbau einer postapartheidlichen, postkolonialen Nation. Für das Medu Art Ensemble, ein Kollektiv südafrikanischer Künstler*innen und Kulturaktivist*innen, die in den 1970er- und 1980er-Jahren im Exil lebten, war die kollektive Arbeit eine Möglichkeit, die Kunst besser als Kampfmittel einzusetzen. Zeitgenössische Künstlerkollektive wie iQhiya, eine Gruppe Schwarzer Künstler*innen, die 2015 gegründet wurde, und das Kutti Collective, eine Gruppe queerer südafrikanisch-indischer Künstler*innen, die 2019 gegründet wurde, arbeiten kollektiv als Reaktion auf die mangelnde Repräsentation in der Kunstwelt.
Das Centre for the Less Good Idea, in dem ich als Autor arbeite, ist der Überzeugung, dass das Ensemble die Welt anders sieht als der Einzelne. Das interdisziplinäre Kunstzentrum ist ein notwendiger Raum für das Scheitern und für kurze, experimentelle Arbeiten, die in einem Theater oder einer Galerie keinen Platz haben.
Im Großen und Ganzen ist die Zusammenarbeit in Südafrika, wo die Geschichte der Teilung noch immer so stark spürbar ist, sowohl eine notwendige künstlerische Praxis als auch eine Lebensweise. Auch weltweit scheint man sich der Notwendigkeit der Zusammenarbeit bewusst zu sein. Wie im Statement zur Ausstellung Kollaborationen hervorgehoben wird, ist sogar das treibende Prinzip der documenta 15, die von dem indonesischen Kollektiv ruangrupa kuratiert wurde, das der gemeinschaftlichen und kollektiven Arbeitsweise. Die Zusammenarbeit wird immer mehr zu einer Notwendigkeit. Wir kollaborieren, weil wir es müssen. Denn die gemeinsame Nutzung von Raum, Ressourcen, Wissen, Zugang und Infrastrukturen zur Unterstützung ist die einzige Möglichkeit, wie wir in der Welt weiter existieren können. In Anbetracht dieses historischen und zeitgenössischen kollaborativen Kontexts geben die Kunstwerke in Kollaborationen keinen klaren Weg vor, doch sie bieten einen Entwurf, der den generativen und vitalen Akt der Zusammenarbeit anspricht.
Marina Abramović und Ulays Breathing In/Breathing Out stellt die Zusammenarbeit als grundlegend für das menschliche Leben dar – den Akt des gemeinsamen Atems, des gemeinsamen Sauerstoffs –, während Daniel Spoerris Hahns Abendmahl zeigt, wie der Esstisch zur Bühne für den beiläufigen, jedoch essenziellen Akt des Austauschs von Informationen und Gesprächen bei einer gemeinsamen Mahlzeit werden kann.
Die Serie handgemalter und genähter Fahnen von Ree Morton mit dem Titel Something in the Wind ist in ihrer Prämisse einfach – nämlich den Menschen in ihrem Leben, mit denen sie eine bedeutungsvolle Verbindung hat, Tribut zu zollen –, spricht aber davon, wie künstlerische Prozesse tief in die Beziehungen und sozialen Interaktionen des täglichen Lebens eingebettet und oft von ihnen abhängig sind.
Natürlich ist Zusammenarbeit nicht immer gleichbedeutend mit Zustimmung, und das sollte sie auch nicht sein. Die Schriftstellerin, Redakteurin und textbasierte Künstlerin Rosa Ainley erinnert uns daran: „... obwohl es offensichtlich klingt, geht es bei der Zusammenarbeit um Unterschiede, warum sollte man sich sonst die Mühe machen?“ Wenn wir uns durch Zusammenarbeit auf Unterschiede einlassen, können wir das Unbekannte annehmen und das, was wir zu wissen glauben, auf die Probe stellen.
In Kollaborationen gibt es ein paar Kernpunkte, die diese wichtigste Facette der Zusammenarbeit ansprechen – die Unterschiedlichkeit. Dies war der Fall bei der Fluxus-Bewegung, die einen zentralen Platz in der Ausstellung einnimmt und durch eine Reihe von Kunstwerken vertreten ist. Die Abkehr von der individuellen Autorenschaft zugunsten einer kollektiven Arbeitsweise war das Herzstück von Fluxus, und wie George Brecht in seinem Text „Something about Fluxus“ formulierte, war Einigkeit kaum eine Voraussetzung: „In Fluxus hat es nie den Versuch gegeben, sich über Ziele oder Methoden zu einigen; Individuen mit etwas unbenennbaren Gemeinsamkeiten haben sich ganz natürlich zusammengefunden, um ihre Arbeit zu veröffentlichen und aufzuführen.“
Und dann sind da noch die Arbeiten von Jörg Schlick, die sich durch die gesamte Ausstellung ziehen. Das Motto Keiner hilft Keinem taucht als kleine Provokation neben anderen Kunstwerken auf, blickt von oben herab oder ist in den Ecken des Raums versteckt. Hier dient Schlicks Skepsis gegenüber dem trendigen Charakter von Künstlerkollektiven als humorvolle und bissige Erinnerung daran, dass Zusammenarbeit an und für sich nicht unbedingt eine sinnvolle Veränderung in der Welt bewirkt – wie kollektive Sichtbarkeit zu nichts weiter als einem Werkzeug für individuellen Erfolg werden kann, zum Nachteil des Kollektivs.
Ein zentraler Bestandteil von Kollaborationen ist die Ausstellungsarchitektur von Anetta Mona Chişa und Lucia Tkáčová. Durch ihre verschiedenen Materialien ermöglicht die Gestaltung eine gleichzeitige Transparenz und Undurchsichtigkeit, Zugänglichkeit und Unzugänglichkeit, Starrheit und Anpassungsfähigkeit. Auf diese Weise leistet die Ausstellungsarchitektur die stille Arbeit, einen Raum für Betrachtung, Reflexion und Austausch zu schaffen – einen Raum, in dem wir der Welt und unserem Platz in ihr gemeinsam einen Sinn geben können. Kollaborationen erinnert uns daran, dass wir das nicht mehr allein tun können.
Der Text entstand im Rahmen des vom Verein K organisierten Residency-Programms für internationale Kunstkritiker*nnen Visiting Critics Vienna 2022.