Wien. Auf der Pressefotocollage von TOGETHER THE PARTS – ein künstlerisch-performatives Gathering fokussieren Sockenpaare, spektral auf eine Faltenlandschaft gestreut, einen Figurenreigen und zwinkern metonymisch für das Kollektive, das heute zu kollabieren droht, für die Kreise, die in unseren Krisenzeiten stets neu zu öffnen und zu schließen sind: wie wir Freundschaften schließen und Augen öffnen, wie wir Blicke und Samen in unseren gemeinsam eingefalteten Landschaften ausstreuen, dekonstruktiv disseminieren: diffraktiv – als sich überlagernde Wellen, die die scharfen Kanten unseres Mitseins beugen und dessen Räume interferieren lassen, durcheinander durchwirken und ausdehnen.
TOGETHER THE PARTS ist ein sechstägiges performatives Ineinander von installativen und instruktiven Tanz-, Text-, Video-, Skulptur- und Soundscapes an zwei Wochenenden zu Gast am Tanzquartier Wien. In circle dances oder in listening circles, so zwei der Formatbenennungen, teilen bzw. mitteilen die von Katalin Erdődi und Philipp Gehmacher eingeladenen Künstler*innen ihre Praxis – mit der Optik des Optionalen, in unaufgeregten Verschränkungen von Sprechen und Tun, beides durcheinander hindurch gestreut anstatt einfach reflektiert. Oft buchstäblich (wie figurativ) auf leisen Socken und Sohlen kreisen auch die Zuschauer*innen/Teilnehmer*innen miteinander, umeinander, werden zum Teil der MQ-Halle G (Bühne und Auditorium ineinander gezogen).
Während TOGETHER THE PARTS bewegen wir uns aneinander und an einzelnen performativen Vorschlägen entlang, vom Gewesenen und Kommenden zugleich heimgesucht, fast insgeheim, lautlos, auf leisen Sohlen eben, spekulativ und spektral statt spektakulär. Und es stellt sich schrittweise etwas ein, das es ohne dieses gathering gar nicht gebe, ohne diese, mit Karen Barad, „‚Intraaktion‘, die wechselseitige Konstitution von Relata innerhalb von Phänomenen bedeutet (im Gegensatz zu ‚Interaktion‘, welcher Begriff die vorgängige Existenz verschiedener Entitäten voraussetzt)“. Ein Zusammenkommen also erst als gegenseitiges Zusammenwerden der Teile, der Teilnehmer*innen: Präzise unscharf ihre Separation – und sie alle erst so part ihres, unseres gathering, part der Partitur und der Apparatur, die uns (während wir sie) schreiben und beobachten. So sind es nicht die einzelnen künstlerischen Positionen allein, vielmehr ihre (und unsere) Intraaktionen, die hier Wirkliches und Mögliches zusammen-auseinander-schneiden, fortdauernd rekonfigurieren, iterativ.
Im unpublizierten Konzeptentwurf von Gehmacher und Erdődi entdecke ich ihren kleinen Korrekturvorschlag: „lieber convened als curated?“ Und tatsächlich ist ihre gemeinsame Kuratierung vielmehr eine Co-Einberufung, damit Ungerufenes entstehen kann. Wir können physisch oder auch nur beobachtend, zuhörend – ganz wie wir unsere wit(h)ness gerade angehen möchten – an dieser performativen Versammlung teilnehmen, die die Halle G dehnt (und noch mehr ausdehnt mit dem performativen Walk von Claudia Heu und Barbara Kraus um die Halle). Wir können mit dem performativen Talk von Sabina Holzer/Hans Schabus/Philipp Gehmacher aneinander plumbing, levelling, propping that matter erfahren, mit Alix Eynaudis Rest(s) wörtlich versuchen, „to rub in words under the skin“, mit Anne Jurens/Sonia Leimers Sensorial Transference Objects den Faltungen von Körper- und Objektoberflächen mit Minimikroskopen nachforschen. Dem Minimalen verpflichtet, können wir auch einem „simple score for participation from stillness to stillness“ (SERAFINE1369) folgen und so von selbstgewählter Pose zu Pose skulptural gemeinsam kurz pausieren, nicht(s)tun: ein „désœuvrement“. Ein „Entwerken“ und stets neu Verwerten aus der Warte unserer Gegenwart auch mit Shaymaa Shoukry – wir können ihre Herausforderung („I will keep on running until you join me“) annehmen und gemeinsam mit ihr endlose Runden on stage rennen: für Belange und gegen Restriktionen unserer Zeit, die sie – laufend – außer Atem auflistet, zirkulieren lässt in The Resilience of the Body.
Wir können im Kreis mitsitzen und uns mit einem anderen Körperwiderstand im Zuge von Michael Turinskys Talk Crip Choreography auseinandersetzen: „crip essentially means resistance“. Wir können mit Satu Herralas Talk From resonance into collective action der Frage nachgehen, „how specific intraactions matter“: Auch im posthumanen Sinne, dem wir wiederum mit dem Vorschlag von Susanne Songi Griem und Pete Prison IV im Kreis nachtanzen können, indem wir Bewegungssequenzen von einzelnen Teilnehmer*innen nach dem Stille-Post-Prinzip übernehmen – der Reihe nach gemeinsam, allerdings jeweils mit einem selbst ausgewählten Objekt und dadurch umso mehr eigenem Rhythmus, idiorrhythmisch, in einem choreografischen Reigen auch nicht-menschlicher Körper. So kreist auch Peter Kutins akustische Installation ROTOR – A Sonic Body und verrückt Licht und Sound ineinander. Rück- und vorwärts lesbar ihr Titelpalindrom, lateinisch-kyrillisch in mehr als einer und keiner Sprache mehr (plus d’une langue: so Jacques Derridas kürzeste Dekonstruktion-Definition), synästhetisch. Dies nur einige wenige Beispiele für die Anliegen der über 20 beteiligten Künstler*innen.
So bewegt sich TOGETHER THE PARTS in mehr als einem und keinem präkonstituierten Körper mehr von Augenblick zu Augenblick, während wir das gathering und seine parts zusammen-auseinander-halten, ohne uns da rauszuhalten. Anagrammatisch umstellbar die (Körper-)Teile dieser somatisch-skulptural-sonor bewegten Versuchsanordnung nach je eigenem Rhythmus und Score, die ihre parts erst hervorbringt, together, singulär-plural. „Mit-sein heißt, gegenseitig Sinn hervorbringen, und nur so“ (Jean-Luc Nancy) oder neu/anders kontextualisiert: intraaktiv.