Wien. Wer diese, mit erstaunlich kurzer Laufzeit angesetzte Ausstellung sehen konnte, durfte eine Reihe von Filmen entdecken, die erst nach dem Tod Maria Lassnigs von Mara Mattuschka und Hans Werner Poschauko in Kooperation mit dem Filmmuseum und der Lassnig Foundation nach ihren schriftlichen Anweisungen behutsam fertiggestellt wurden. In einem, ein wenig unaufgeräumt wirkenden, um die Filme herum organisierten Display wurden nicht nur die filmischen Suchbewegungen Lassnigs während ihres langen und produktiven New-York-Aufenthalts (von 1968 bis zu ihrer Berufung an die Universität für Angewandte Kunst 1980) vor dem Hintergrund ihrer malerischen Praxis deutlich, man sah auch die Freude, welche die Künstlerin an dem für sie neuen Medium in der vielversprechenden Umgebung hatte. Gleich zu Beginn, im Animationsfilm Art Education (1976), schreibt sich Lassnig weniger in die humoristische Konvention jener Zeit als vielmehr sich ihren eigenen Weg bahnend selbst in den Kunstkanon ein. Gleichzeitig gibt sie detailliert darüber Auskunft, mit welchen männlich-hegemonial vorherrschenden Vorstellungen der Kunstausbildung und Kunstproduktion sie sich damals konfrontiert sah. Die ausgestellten Skizzen, Filmstudien und Drawingboards zu diesem wie zu anderen Filmen lassen die Entstehung der Trickfilme Schritt für Schritt nachvollziehen. In einer abgetrennten Black Box, wo sich die für die Rezeption der filmischen Feinheiten nötige Kontemplation einstellt, lässt sich aber noch eine weitaus vielfältigere filmische Praxis Lassnigs erkennen: Neben dem sehr freizügigen Film Stone Lifting – a Self portrait in progress sind dort mehrere Filme ihrer bemerkenswerten Reihe Soulsisters zu sehen, in der sie ihr nahestehende Freundinnen (Alice, Bärbel Zechner, Iris Vaughn, Hildegard Absalon und andere) vor der Kamera sie selbst sein ließ, während sie hinter der Kamera mehr und mehr unsichtbar wurde. Die sich dabei einstellende Nähe mit den Frauen ist stellenweise fast unheimlich intim, visuell generös und körperlich zugleich. Wie wichtig Lassnig das Zusammenspiel aller filmischen Komponenten war, wird spätestens dann deutlich, wenn in Iris (1971) das Spiritual „Sometimes I feel like a motherless child“ in der Interpretation der Jazzsängerin Morgana Kings ertönt. Sie übertrug dafür ihren ganzen malerischen Ehrgeiz auf die Gestaltung der Filme – auf ein das Medium auslotendes Experiment inklusive dramaturgischen Timings und exakt einsetzender Musik. Auf der Rückseite der Box werden Studien zu dem zweiminütigen Animationsfilm Chairs (1971) und auch der Film selbst projiziert, während man auf der rechten Flanke der Factory gezeichnete Silhouetten der Skyline New Yorks, Poster und Ankündigungen ihrer Filmpremieren sowie jener gleichgesinnter feministischer Künstler*innen und Filmemacherkolleginnen der Women/Artist/Filmmakers Inc. in New York, aber auch in Innsbruck, Graz und Wien sieht.
Dass die filmische Umtriebigkeit Lassnigs in den USA österreichische TV-Kulturformate in ihrer Experimentierfreude herausforderte, wird in Form der wiedergegebenen Live-Interviews mit der Künstlerin aus einer New Yorker Telefonzelle in der Sendung Impulse aus dem Jahr 1974 aufgezeigt. Wie rasch ihr in der Malerei geschultes motivisches Gespür die künstlerischen Chancen in der eigenen unmittelbaren Umgebung witterte, beweisen ihre appropriierenden und analysierenden Aufnahmen Godfather I–III (1974) an den Sets der Godfather-Trilogie des Regisseurs Francis Ford Coppola und die szenische Wiedergabe des performativen Straßentreibens in Broadway I, II (Anfang der 1970er-Jahre). Biografisch überaus aufschlussreich sind wiederum die in einer Vitrine aufliegenden, handschriftlichen Notizen, in denen man neben rohen Ausführungen zu ihren Filmen auch ihre klaren Überlegungen zu feministischen Fragen und dem Künstler*innendasein nachlesen kann: „Ich bin die Alibifrau in Österreich, nicht nur, um an mir zu zeigen, dass man etwas für Frauen tut, sondern auch, um zu mir sagen zu können, Frauen, die talentiert genug sind, kommen von alleine durch und brauchen keine Frauenbewegung.“
Das Statement ist nur ein Beispiel dafür, dass die Ausstellung – über relevante Einblicke in ihr im Umfang erst noch zu begreifendes, filmisches Werk und den motivischen Wechselbeziehungen zu ihrer Malerei hinaus – auch Auskunft über ihre Selbstwahrnehmung und Rezeption als explizit feministische Künstlerin gibt.