Heft 2/2025 - Netzteil
In der sich ständig wandelnden Welt digitaler Subkulturen hat kaum ein Trend visuelle Ästhetik mit ideologischer Brisanz derart verbunden wie die Rückkehr der sogenannten Trad Wives. Die Kurzform von „traditional wife“ steht für eine Gruppe von Frauen, die sich offen für eine Rückkehr zu klassischen Geschlechterrollen einsetzen. Trad Wives akzeptieren die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen und plädieren für Geschlechterrollen, die eine Trennung von öffentlichem und privatem Leben vorsehen. Auf Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube1 propagiert diese Gruppe das Ideal der Hausfrau und Mutter, die sich dem Ehemann unterordnet, sich züchtig kleidet, den Haushalt führt – und dies nicht nur als Lebensmodell, sondern als gesellschaftliches Leitbild.
Hinter dieser nostalgischen Inszenierung von Häuslichkeit verbirgt sich ein Netzwerk aus reaktionären und rechtskonservativen Ideologien – von christlichem Fundamentalismus und Antifeminismus bis hin zu Rassismus und rechter Identitätspolitik.
Femininity versus Femini
Das Netzphänomen der Trad Wifes, ein aus dem englischsprachigen Internet stammendes Mem, hat seit den späten 2010er-Jahren an Bedeutung gewonnen. Der Begriff erlangte zunächst in rechtskonservativen und christlich-fundamentalistischen Online-Communitys Sichtbarkeit, insbesondere auf Plattformen wie 4chan, Reddit, später auch YouTube, Instagram und TikTok. In diesen Foren und Netzwerken diente die Trad Wife als Gegenbild zur Career Woman (verstanden als Repräsentantin eines woken Feminismus), häufig mit einer explizit antimodernen Ausrichtung. Die traditionelle Frau wurde als Antithese zur „unglücklichen“2 Frau des 21. Jahrhunderts stilisiert, die durch Gleichberechtigung, sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung die Gegenwartsgesellschaft bedroht.3
Für Trad Wives ist Femininity4 kein soziales Konstrukt, sondern eine „essenzielle“, „gottgegebene“ oder „naturhafte“ Eigenschaft der Frau. Weiblichkeit wird von ihnen als „sanft“, „hingebungsvoll“, „fürsorglich“ und „unterordnend“ idealisiert – Tugenden, die sich vor allem im Kontext von Mutterschaft, Häuslichkeit und ehelicher Treue entfalten sollen. Diese reaktionäre Feminität ist der Bilderwelt der Domestizierungsdiskurse der 1950er-Jahre entnommen. In ihren Retro-Mashups rekurrieren Trad Wives gezielt auf die kulturellen und sozialen Leitbilder dieser Dekade, insbesondere auf das Ideal der Hausfrau und Mutter als moralischem Zentrum der Familie und Nation. Die Epoche gilt als vermeintlich goldenes Zeitalter, in dem klare Geschlechterrollen, stabile Familienstrukturen und eine hierarchisch organisierte Gesellschaft vorherrschten.
Der Feminismus hingegen gilt in der Trad Wife-Ideologie als „dekadent“ und „woke“, er wird als „entwertend“ und letztlich „zerstörerisch“ dargestellt – für die Frau selbst wie auch für die Gesellschaft. Die Diskurslogik der Trad Wives operiert in diesem Zusammenhang überwiegend polemisch und verallgemeinernd, um ein diffuses Feindbild aufzubauen. Feministische Anliegen wie berufliche Unabhängigkeit, sexuelle Selbstbestimmung oder queere Identität werden als „egoistisch“, „liberal“ oder „antipatriotisch“ geframt. Besonders in US-amerikanischen und europäischen rechten Netzwerken wird Feminismus mit Kulturverfall, Geburtenrückgang und nationaler Schwächung in Verbindung gebracht. So inszenieren sich Trad Wives als Gegenbewegung – nicht nur gegen den Feminismus, sondern gegen eine liberaldemokratische Spätmoderne. Ihre Feminität ist dabei nicht nur eine persönliche Lebensform, sondern zielt auf die Herstellung von Vorbildern für ein konservatives Identitätsdesign.
Soft Radicalism
Die Inszenierung der Trad Wife erfolgt häufig im Kontext von antifeministischen, nationalkonservativen und christlich-fundamentalistischen Weltanschauungen. In den USA ist die Figur stark verknüpft mit evangelikalem Gedankengut, während sie in Europa, insbesondere im deutschsprachigen Raum, auch an völkische und identitäre Diskurse anschlussfähig ist.5 Trad Wives werden üblicherweise als soziales Ideal beschrieben. Es sind jedoch überwiegend weiße Frauen, die „traditionelle“ weibliche Geschlechterrollen einnehmen und durch ihre Hausarbeit sozialen Status erlangen. Dabei streben sie aktiv nach der Reproduktion des Heteropatriarchats: In dieser Machtordnung der white supremacy bilden heterosexuelle Männer die dominante Gruppe in Gesellschaft, Kultur und Politik.6 Sie sind mit Vorstellungen von weißer Vorherrschaft verbunden und gelten daher als natürliche Verbündete der Alt-Right-Bewegung. Dabei handelt es sich um eine lose, ideologisch heterogene Bewegung, die seit den 2010er-Jahren vor allem im angloamerikanischen Raum politische Sichtbarkeit erlangte. Sie vereint Antifeminismus, Islamfeindlichkeit, Antiliberalismus und Verschwörungsdenken zu einer digitalen Gegenöffentlichkeit, die auf Provokation, Mem-Kultur und ideologische Mobilisierung setzt. Alt-Right versteht sich als Gegenentwurf zum woken Mainstream und propagiert eine Rückkehr zu traditionellen Werten – ethnisch homogen, patriarchal organisiert und nationalistisch aufgeladen. Für christliche Trad Wives repräsentiert die geschlechtliche Reproduktion in diesem Zusammenhang einen Akt des Widerstands gegen die Great Replacement-Verschwörungstheorie und dient idealiter zur Erhaltung der weißen Rasse.
Richard Bertrand Spencer, Leiter des rechtskonservativen Thinktanks National Policy Institute, gebrauchte den Begriff „Alt-Right“ erstmals 2008, um die Anhänger*innen stark rechtskonservativer Ideale zu beschreiben, vor allem die Idee der „weißen“ Identität betreffend. Zwei Jahre später ging Spencer mit dem Alternative Right Blog online, um diese Ideologie weiter auszuformulieren, die er als Identitätspolitik für Weiße beschrieb.
Alt-Right beschrieb er als eine aufrührerische identitäre Bewegung, die antiglobal, antietabliert, antidemokratisch, antisemitisch und heteropatriarchal ausgerichtet sei. Frauen in weißen rassistischen Bewegungen, einschließlich der Alt-Right, fungieren typischerweise als Hilfskräfte und nicht als Anführerinnen: „Women in white supremacist movements, including the alt right, typically serve as auxiliaries rather than leaders. This partly explains why women’s participation receives less media and scholarly attention. As movement auxiliaries, white women’s role is to soften and normalize white supremacy, earning them the label ,shield maidens‘.“7
Aus kultur- und medienwissenschaftlicher Perspektive kann die Figur der Trad Wife als ein Phänomen der sanften Radikalisierung verstanden werden: Eine ideologische Position wird nicht vorrangig durch Argumente vermittelt, sondern durch affektive Bildwelten, medial stilisierte Lebensentwürfe und narrative Anschlusskommunikation. Diese Soft-Power-Ästhetik erlaubt es, antifeministische oder autoritäre Tendenzen auf subtile Weise zu kommunizieren, indem sie in den Alltag, das Persönliche und das Intime verlagert werden. Zahlreiche Influencerinnen stellen ihr Leben als Vollzeithausfrau und -mutter als persönliche Wahl oder Lebensstil dar – eine klassische Diskursfigur der argumentativen Leere, die in der feministischen Theorie vehement kritisiert wird: Die vermeintlich freiwillige Entscheidung, das Leben einer Trad Wife zu führen, findet innerhalb struktureller Bedingungen und ideologischer Rahmungen statt und ist daher selbst hegemonial und patriarchal geprägt.8
Die Bekenntnisse zur traditionellen Feminität verbinden digitale Inszenierungspraktiken mit ideologischen Re-Traditionalisierungen und sind Ausdruck eines größeren globalen Backlashes gegen feministische Errungenschaften. Besonders problematisch ist die Anschlussfähigkeit der Trad-Wife-Rhetorik an rechtsextreme Narrative der Alt-Right- und Far-Right-Bewegung9, etwa über den „Bevölkerungsaustausch“, die „Zerstörung der Familie“ oder die „Krise der Männlichkeit“10.
Parasoziale Beziehungen in der Radikalisierungspipeline
Auf den ersten Blick wirkt die Trad-Wife-Ästhetik harmlos, beinahe idyllisch. In zahlreichen Videos auf TikTok zeigen Frauen ihre hausfraulichen Routinen, loben das Eheleben und preisen ein entschleunigtes Familienleben. Die Hashtags #tradwife und #tradlife führen zu Inhalten, in denen Frauen Blumenschürzen tragen, Menüpläne erstellen und von Dankbarkeit sprechen. Das politische Alleinstellungsmerkmal am Trad Wife-Phänomen ist seine Funktion als niedrigschwelliger Einstieg in radikale Ideologien. Indem frauenfeindliche, autoritäre und teils rassistische Weltbilder mit Emotionen und Alltagshandlungen verknüpft werden – Kochen, Designtipps, Kindererziehung –, wird auf eine Form der sanften Radikalisierung abgezielt. Soziale Medien – insbesondere TikTok – spielen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung und Verstärkung dieser Inhalte. Die algorithmische Struktur der Plattformen begünstigt eine Dynamik, im Zuge derer Nutzer*innen von harmlosen Lifestyle-Videos zu zunehmend radikalen Inhalten weitergeleitet werden. Dieser Prozess wird als „Radikalisierungspipeline“11 bezeichnet.
Die Alt-Lite-Bewegung beschreibt die Schnittstelle zwischen der konservativen Rechten und Alt-Right und bildet ein eigenes Genre auf Social Media. Diese Gruppe lehnt sowohl progressive linke Einflüsse in der Gesellschaft als auch die konservative Rechte ab, da Letztere als zu nachgiebig betrachtet wird, wenn es um die Aufrechterhaltung extrem rechter Ideologien geht. Alt-Lite fördert in der Regel eine radikale Form des Nationalismus und umfasst Personen, die sowohl den Nationalstaat als auch die Überlegenheit eurozentrischer oder westlicher Kultur verteidigen. Gleichzeitig werden Grenzen gegenüber einer offenen Unterstützung von weißem Suprematismus, identitärer Politik und Antisemitismus gezogen. Während sie die antifeministischen und geschlechtsspezifischen Essentialismen der konservativen Rechten und der Alt-Right teilt, sind Frauen innerhalb der Alt-Lite eher in der Öffentlichkeit aktiv, insbesondere in rechtsorientierten politischen oder medialen Berufen.
Religiöse Trad Wives finden sich im gesamten rechten Spektrum, von der konservativen Rechten bis zur Alt-Right. Sie unterstützen ein patriarchales System von Familie und Gesellschaft und propagierten die Vorstellung, dass Gott hierarchische Unterschiede unter den Menschen in Bezug auf Geschlecht, Gender und mitunter auch Rasse geschaffen habe. Ihre religiöse Überzeugung und konservative Haltung sind eng mit Erwartungen an Fruchtbarkeit und dem Konzept der „Heiligkeit des Lebens“ verbunden.
Äußerst relevant für den Erfolg sämtlicher rechtsorientierter Influencerinnen ist die parasoziale Beziehung zu ihren Follower*innen: Die Inszenierung von Nähe, Intimität und Vertrauen erschwert es, ideologische Inhalte zu hinterfragen. Trad Wives erscheinen nicht als politische Akteurinnen, sondern als sympathische, mütterliche Figuren, was sie vor Kritik schützt und es ihnen ermöglicht, reaktionäre Botschaften ungestört zu verbreiten. Insofern ist das Trad Wife-Phänomen kein harmloser Retrotrend, sondern die digitale Reinszenierung autoritärer, hierarchischer Weltbilder in einem zeitgemäßen Gewand. Auch wenn nicht jede Trad Wife-Influencerin selbst rechtsextrem ist, trägt ihr Content zu einem Milieu bei, in dem antifeministische, rassistische und fundamentalistische Ideologien Normalität erlangen. Vor diesem Hintergrund sind Trad Wives keine skurrile Randerscheinung. Im Kontext kritischer Bildreflexion, historischer Wissensbildung und digitaler Medienkompetenz gilt es, die Strukturen zu analysieren, die diese Inhalte sicht- und sagbar machen: Plattformökonomien, Bildregime und Influencer-Inszenierungen.
[1] Angela Nagle, i>Kill All Normies: Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right. Updated edition, Zero Books, 2023.
[2] Sophia Sykes/Veronica Hopner, Tradwives: Right-wing social media influencers, in: Journal of Contemporary Ethnography 53/4 (2024), S. 453–487, hier: S. 455.
[3] Debbie Ging/Eugenia Siapera (Hg.), Gender Hate Online: Understanding the New Anti-Feminism. Palgrave Macmillan, 2022.
[4] Megan L. Zahay, What „Real“ Women Want: Alt-Right Femininity Vlogs as an Anti-Feminist Populist Aesthetic, in: Media and Communication 10/4 (2022), S. 170–179; Eviane Leidig, The women of the far right: Social media influencers and online radicalization. Columbia University Press, 2023.
[5] Lois Shearing, Feminism is cancer: How women are radicalised online, in: Pink-pilled. Manchester University Press, 2025, S. 93–144.
[6] Ashley Mattheis, #TradCulture: Reproducing whiteness and neo-fascism through gendered discourse online, in: Routledge handbook of critical studies in whiteness. Routledge, 2021, S. 91–101.
[7] Nancy S. Love, Shield Maidens, Fashy Femmes, and TradWives: feminism, patriarchy, and right-wing populism, in: Frontiers in Sociology 5 (2020), S. 1–3.
[8] Laura Jane Bower, The thorn in feminism’s side: black feminist reconceptualization and defence of #tradwives and the #tradwife movement, in: Journal of Gender Studies (2024), S. 1–17.
[9] Devin Proctor, The #tradwife persona and the rise of radicalized white domesticity, in: Persona Studies 8/2 (2022), S. 7–26.
[10] Suvi Keskinen, The Rise of the Far-Right: Technologies of Hate, Populism and Gendered Nationalism. Routledge, 2024.
[11] Becca Lewis, Rabbit Hole: Creating the Concept of Algorithmic Radicalization, in: Digital Media Metaphors. Routledge, 2024, S. 90–102.