Heft 1/1998 - Netzteil


dextro.org

Interview mit dem österreichischen Grafikdesigner DEXTRO

Petra Erdmann


»Wer zum Bild oder zu der Stimmung keinen Zugang hat, dem will ich einen Zugang über Worte nicht erleichtern. Er wäre nicht derselbe.«
(Dextro)

Die Arbeiten österreichischer GrafikdesignerInnen für die heimische New-Electronica- Szene zeigen eine neue Schnittstelle zwischen Musik- und Designpraxis. Innovative Cover-, Flyer- und Webgestaltung wird zur Trademark in der Vermittlung von neuen musikalischen Strukturen. Das jüngst auch international auf sich aufmerksam machende Musikkollektiv Sofa Surfers vertraut in diesen Belangen auf die visuelle Identität von Dextro, der auf dem Cover der CD/LP »Transit« seine Maschinenvisionen abbildet. Dextro zeichnet auch für die Web-Site der Club- und Labelaktivisten Pomelo verantwortlich, für die er demnächst auch einen Track remixen wird. Dextros imposante eigene Homepage gibt Einblick in eine bilderdominierte Welt, die selbst die Grafikdesignszene in Japan fasziniert. Dextro ist dort einer der wenigen Nicht-Japaner, die in avancierten Grafikmagazinen ihre Arbeiten vorstellen können. Seine ersten Covergestaltungen erledigte Dextro Anfang der neunziger Jahre für das Techno-Label Mainframe, das unter anderem den heimischen Techno-Act Ilsa Gold herausbrachte.

Petra Erdmann: Seit dem Aufkommen von Techno in Österreich hast du mit deinem Grafikstil auch die Flyerlandschaft stark geprägt. Momentan gestaltest du noch Flyer für DJ Tankreds Technoparty »Sharp«. Allgemein sind die Technoveranstaltungen größer und kommerzieller geworden. Der Underground-Gedanke, der dir immer wichtig war, verschwindet zusehends.

Dextro: Ich denke, so etwas wie die Szene Anfang der neunziger Jahre konnte auf diese Weise nur ein paar Jahre bestehen. Daran gibt es grundsätzlich nichts zu bedauern. Derzeit finde ich die Szene ungerichtet und verstreut. Aber ich kann das eigentlich nicht wirklich beurteilen, weil ich mich ausgeklinkt habe.

Petra Erdmann: Derzeit hörst du Farmers Manual, deren Musik besonders geeignet ist, Bilder im Kopf zu erzeugen. Un du bist gerade dabei, Beziehung zwischen Räumen und Musik auszuarbeiten. Zu welchen Ergebnissen bist du bis jetzt gekommen?

Dextro:Noch nicht zu vielen. Es gibt keine guten VRML-Editoren für Macintosh. Im Shockwave-Format kann man vieles machen, es ist aber bei 3 D- und Multiuser- Anwendungen nur beschränkt einsetzbar. Dafür will ich Java und VRML verwenden. Auf turux.org sind Shockwave-Screens von lia (www.sil.at/lia) und mir zu sehen. Vielleicht wird die Seite furx.org ein VRML-Projekt, zum Beispiel ein sinnvolles dreidimensionales Spiel für mehrere User oder eine Kommunikationsplattform, wo sich User bei räumlich bestimmten Inhalten treffen können. Grundsätzlich kann ich aber technische Einschränkungen auch als Anregung empfinden. HTML zum Beispiel war am Anfang eine Herausforderung für mich, weil man damit kaum gestalten konnte.

Petra Erdmann: Welche Grundsätze bestimmen die Gestaltung deiner Homepage dextro.org?

Dextro: Naja, sie soll leicht erweiterbar sein. Das Interface soll nicht in Konkurrenz zu den Arbeiten treten und zumindest auf der ersten Ebene logisch und leicht bedienbar sein. Und ich erkläre darauf nicht, worum es geht.

Petra Erdmann: Welche Rolle spielen Wort und Text in deinen grafischen Arbeiten?

Dextro:Ich finde sprachliches Denken ziemlich verheerend. Vielleicht will ich der Schrift etwas von ihrem Codecharakter nehmen und mehr Bildcharakter geben, wenn ich sie in einer Grafik verwende.

Petra Erdmann: Du arbeitest viel mit räumlichen Modellen und Architekturvisualisierungen, wovon du auch hauptsächlich deinen Lebensunterhalt verdienst. Die Architekten Adolf Krischanitz und Michael Loudon sind deine Auftraggeber. Wie würdest du deine Entwicklung in diese Richtung beschreiben?

Dextro: Am Anfang war es ein ähnlicher Schritt wie abstrakte Grafik zu machen. Am Computer ein Bild von einem Raum zu erzeugen, heißt, etwas zu schaffen, wo vorher nichts war. Jetzt ist es für mich ein Werkzeug, um Stimmungen hervorzurufen. Räumliche Tiefe beziehungsweise die Ungewißheit, ob und wie tief etwas ist, kann ich spannend finden.

Petra Erdmann: Nimmst du auch Aufträge von größeren Wirtschaftsunternehmen an?

Dextro: Ich nehme solche Angebote nicht mehr an. Ich will Geld- und Machtgier mit meiner Arbeit nicht unterstützen.

Petra Erdmann: Woher kommt die Inspiration für deine Arbeiten?

Dextro: Aus einer Stimmung, die ich mir aus meiner Kindheit erhalten habe. Mit Hilfe von Musik und Drogen kann ich sie handhaben und benutzen. Ich betrachte die Ergebnisse aber nicht als mein Eigentum. Es kommt aus einem Feld, zu dem alle Menschen beitragen und aus dem auch alle Menschen etwas beziehen können, wenn sie es zulassen. Geschichten von Stanislav Lem, Moebius, Druillet, Otomo (»Akira«) hatten einen Einfluß auf meine Arbeit. Auch Mangas (japanische Comics), wenn auch mehr inhaltlich als formal. In Japan werden mit Mangas alltägliche Themen auf eine Art behandelt, wie ich es von anderswo nicht kenne.

Petra Erdmann: Du hältst Kontakt zur japanischen Szene. In den Grafikmagazinen Timing Zero und +81 erscheinen Arbeiten von dir. Auch auf der Gasbook-CD-ROM, die bis vor kurzem nur japanische Grafikbeiträge im Multi-Media-Bereich versammelte, ist deine Arbeit »Robdex« (Nr. 68) veröffentlicht worden. Stellt Japan als »Grafikland« eine Perspektive dar, die du zum Beispiel in Österreich nicht findest?

Dextro: Ja, von Japan habe ich eher das Gefühl, daß Grafik für sich alleine stehen darf - daß etwas, das an sich schön oder anregend ist, existieren darf, ohne daß jemand darin einen weiteren Nutzen oder eine Erklärung in Worten sucht. In Österrreich fühle ich mich in vielerlei Weise in meiner Arbeit und meinem Lebensstil behindert. Die Sprache regiert, und Bilder sind gerade gut genug zur Erholung von der Sprache. Bilder können aber helfen, Zusammenhänge zu erfassen, und das Bewußtwerden von Menschen unterstützen. In Zukunft werde ich wohl vermehrt auf computergenerierte Abläufe zugreifen.

Petra Erdmann: Deine Netzseiten befinden sich auf dem Silverserver und der Public Netbase. Der Silverserver hat als Kunstprojekt begonnen hat und beinhaltet nun auch kommerzielle Kunden. Du bist der Webmaster vom Silverserver. Wie kam es dazu?

Dextro: Oskar Obereder hat mich eingeladen. Für mich ist der Server eine Basis. Da kann ich Interfaces testen und bekomme Reaktionen. Da Oskar keine Förderungen in Anspruch nehmen wollte, mußte er auch kommerzielle Kunden aufnehmen. Trotzdem läuft das ganze nicht gewinnorientiert. Viel wird im Rahmen des Vienna Backbone Service in neue Technologien zum Datentransfer investiert. Darüber hinaus werden interessante Projekte durch günstigen Netzzugang unterstützt.

Petra Erdmann: Ist Netzpolitik, etwa in bezug auf die Quasi-Monopolstellung von Microsoft, ein Thema für dich?

Dextro: Ja, und da sehe ich schon die Möglichkeit, aktiv zu sein. Wenn ich Dinge produziere, an denen sich Menschen erfreuen können und ich die dann nicht verkaufe, sondern unentgeltlich zur Verfügung stelle, so ist das (leider) schon ein politisches Statement.

Petra Erdmann: Daß du machmal auf Politik im Netz reagierst, hat dir bereits eine Klage von der FPÖ wegen Morddrohung eingebracht.

Dextro: Ach, auf ihrer Homepage stand: »Es darf nicht erst jemand sterben, bevor man reagiert«. Darauf habe ich geantwortet: »Tun wir, verlaßt euch darauf« - »subject: sterben«, was sicher mehrdeutig war. Ein Polizist und ein Richter aus Wiener Neustadt wollten das dann austesten. Wenn die Klage durchgegangen wäre, hätte ich Österreich für immer verlassen.

 

 

http://www.dextro.org
http://www.t0.or.at/~pomelo
http://www.turux.org
http://www.furx.org (in Kürze)
http://www.silverserver.co.at

Die CD/LP »Transit« der Gruppe Sofa Surfers ist Ende 1997 bei Klein Records, Wien erschienen.