Heft 1/1998 - Artscribe


Zilla Leutenegger. Miriam Staub. Isabel Truninger

9. Januar 1998 bis 28. Februar 1998
Galerie ARS FUTURA / Zürich

Text: Edith Krebs


Autoporträts, Bildnisse von Freunden, Schnappschüsse aus dem persönlichen Alltag, biographische Erinnerungsbilder und inszenierte Rollenspiele - das sind die Bildgattungen, mit denen sich die drei jungen Zürcherinnen beschäftigen. Sie können damit als typische Vertreterinnen der lokalen Foto- und Videoszene gelten, die sich vornehmlich der Selbsterforschung und Selbsbespiegelung verschrieben hat. Brutstätte dieser um private Befindlichkeiten kreisenden Bildproduktion ist die Fotoklasse der hiesigen Schule für Gestaltung, die seit der Ausstellung »Die Klasse« im Herbst 1996 die Kunstszene erobert und den formalästhetisch orientierten VertreterInnen der Weiterbildungsklasse Kunst den Rang abzulaufen droht. Als schweizerisches oder gar zürcherisches Phänomen kann dieser Trend zur Rückehr ins Private allerdings nicht abgetan werden (wenn auch das angeschlagene Selbstbild der Schweiz eine solche Interpretation nahelegen könnte). Internationale Vergleichsbeispiele wie Nan Goldin und Wolfgang Tillmans zeigen, daß die Zurschaustellung des persönlichen Umfeldes symptomatisch für das Lebensgefühl der neunziger Jahre ist.

Miriam Staubs fotografisches Tagebuch gehört mit Sicherheit zu den eigenwilligsten Beiträgen des Genres. »Ich habe ihn noch nie so gesehen, bis zu dem Moment, wo ich ihn fotografiert habe. Wenn ich das Bild jetzt anschaue, sehe ich, daß es mit uns nicht gut gehen konnte«, lautet die handschriftliche Notiz zu einer Fotografie eines jungen Mannes, die sie 1996 als Teil eines persönlichen Erinnerungsalbums auf einem Tisch ausgelegt hat. Unprätentiös im Format und im Stil, gewinnen diese Fotos erst durch den lakonischen Kommentar einen eigentümlichen, fast voyeuristischen Reiz. In ihren neuesten Arbeiten stellt Miriam Staub ihre Fotografien in einen medialen Zusammenhang: Durch die Konfrontation mit Abbildungen aus Magazinen wird der private Charakter ihrer eigenen Aufnahmen betont: »For a Model my skin is spotty, for the real world it`s fine.« Eine Begegnung zwischen Miriam Staub und Ugo Rondinone am Zürcher Limmatplatz - in vier gerahmten Zeichnungen mit Begleittext dokumentiert - stellt Arbeit und Person in den Kunstkontext: Dort der shooting star der jungen Schweizer Kunst, der melancholisch den Abgesang auf die Kunst intoniert, hier die unbekümmerte Debütantin, die der Aufnahme ihrer Äußerungen in die Kunstwelt mit zwiespältigen Gefühlen gegenübersteht.

Der latente Anspruch auf Authentizität, den die Bilder Miriam Staubs erheben, wird in den Fotoporträts von Isabel Truniger zweifach gebrochen: Den Aufnahmen von Paaren aus ihrem Freundeskreis haftet sowohl das Moment der Selbstdarstellung als auch der Pose an. Während der Studiocharakter der Fotografien - weißer Hintergrund, gut ausgeleuchtete Gesichter - auf die Künstlichkeit der Situation hinweist, betont die intime Gebärdensprache und das durchschnittliche Aussehen der - auschließlich heterosexuellen - Protagonisten den Topos »reales Paar«. Im Vergleich zu ihren früheren, frontalen Einzelporträts erweitert das Thema Paarbeziehung das Bild um eine psychologische Komponente.

Ungleich narzißtischer präsentieren sich die Arbeiten von Zilla Leutenegger, die bezeichnenderweise als einzige der drei Ausstellenden ein Studium der bildenden Kunst betreibt. Bereits in ihrer ersten Arbeit, den »Porträts 1995«, steht ihre eigenen Person - als Künstlerin - im Mittelpunkt. Der Katalog einer fiktiven Ausstellung in der Shedhalle zeigt Selbsporträts als Stills aus dem ersten Video Leuteneggers. Selbstinszenierung und eine phantasmatische Vorwegnahme des eigenen Künstlerinnenstatus überblenden sich. Das zehnminütigen Videoband »Zilla Nina Catherina« von 1996 präsentiert das zentrale Motiv in Variationen: Zilla mit Brille, Zilla in den Bergen, Zilla am Küchentisch, Zilla mit Perücke...in zwanzig ineinanderfließenden Standfotos, ausgewählt aus 200 über sieben Jahre hinweg aufgenommenen Bildern. Auch ich bin eine Künstlerin! scheint jedes einzelne dieser Bilder zu schreien, zu flehen. Eine riskante Gratwanderung zwischen reflektierter Suche nach Identität und purer Selbstgefälligkeit.