Heft 4/2000 - Artscribe


MoneyNations 2

20. Februar 2001 bis 11. November 2000
Kunsthalle Exnergasse - WUK / Wien

Text: Justin Hoffmann


Im Postfordismus werden Grenzen nicht beseitigt, sondern neu gezogen. Mit der Bedeutung dieser veränderten Geographie setzt sich das von Marion von Osten initiierte Projekt »MoneyNations« kritisch auseinander. Während in der ersten Veranstaltung in der Shedhalle Zürich die »Festung Europa« und die damit verschärfte Grenzpolitik gegenüber den Nicht-EU-Staaten im Mittelpunkt stand, untersuchte »MoneyNations 2« in der Kunsthalle Exnergasse vorwiegend die Ausschlussmechanismen innerhalb eines Staates.

Das Projekt stellte schon durch seine eigene Struktur den Mittel-/Westeuropa-Zentrismus in Frage. Aus verschiedenen Perspektiven wurden die kulturellen und ökonomischen Entwicklungen des »Neuen Europa« betrachtet und analysiert. So wurde anfänglich ein KorrespondentInnennetz aufgebaut, welches das geografisch gesehen Marginalisierte mit Positionen aus EU-Ländern zusammenbrachte. Mit einem besonderen Augenmerk auf Rassismus und Sexismus untersuchte dieser Personenkreis Herrschaftsverhältnisse, die Europa in effiziente und nicht-effiziente Bereiche einteilen und dabei kulturelle Differenz als Mittel der Abwertung missbrauchen.

Am Beginn von »MoneyNations 2« stand ein Kongress, an dem KünstlerInnen, TheoretikerInnen und politische AktivistInnen teilnahmen. Ein Schwerpunkt galt der Diskriminierung der Roma, ein anderer dem Verhältnis von Geschlecht und »Staatsarchitektur«, einem Thema, dem sich die Zeitschrift »Vor der Information« in ihrer letzten Ausgabe widmete. Die große Zahl von Präsentationen sowohl antirassistischer Initiativen als auch künstlerisch-medialer Aktivitäten (von Gülsün Karamustafa, Marion Baruch, Mark Saunders etc.) war offensichtlich der Grund dafür, warum kaum Zeit für Diskussion blieb. Die Unterschiede zwischen einer kulturellen Praxis, individuellen Hilfeleistungen und konventionellen Formen des politischen Kampfes werden scheinbar immer weniger als solche wahrgenommen. Dabei wäre eineDebatte um die Wirksamkeit symbolischer Akte (etwa die Imageverschmutzung von Deportation Class) einerseits und der Gefahr einer kompensatorischen Sozialarbeit andererseits durchaus sinnvoll gewesen.

Im Unterschied zu Zürich konzentrierte sich die Wiener Ausstellung gänzlich auf das Medium Video, was einerseits dem derzeitigen Video-Boom entgegenkommt, andererseits eine Traditionslinie des Aktivismus fortführt. Den Fundus für diese Kompilation von Videoarbeiten bildete sowohl das bereits angesprochene Netzwerk als auch das Projekt EuroVisions2000, das sich zur Aufgabe stellte, die historischen und gegenwärtigen Formen der Grenzbildung und ihrer Ausschlusspraktiken zu untersuchen. Auf einige neuere Videos, die über einen konventionellen Dokumentarstil hinausgehen, möchte ich näher eingehen. Unter Verwendung von frühen Werbeaufnahmen, Klischeebildern Ungarns und Mitteln der Computeranimation untersucht Angie Waller in ihrem Film »Loading Animated Version« (2000), in welcher Form die New Economy in die Ausbeutung von »nicht-westlichen« Ländern verwickelt ist. Mit viel Humor beschreibt sie, warum amerikanische E-Business-Firmen stumpfsinnige Programmierarbeiten lieber in Ungarn machen lassen. »Migrasophia« (2000) von Zeigam Azizov lässt zunächst an einen mit wenig Aufwand gedrehten Musikclip denken, in dem der Rhythmus des Oriental Techno-Tracks die Schnittfolgen bestimmt. Erst als der Blick auf den Pass eines Abgewiesenen fällt, wird der politische Kontext deutlich. Das Video »Nordreise« (2000) von Marion von Osten, das in Zusammenarbeit mit dem Sans Papiers-Büro in Antwerpen entstand, beleuchtet die Situation der MigrantInnen in Belgien. Dass ein illegaler Aufenthalt nicht nur Rechtlosigkeit, sondern totale Unterbezahlung bedeuten kann, stellt sie am Beispiel der Textilindustrie dar.

Erfreulich, wie selbstverständlich in der Kunsthalle Exnergasse politische und kulturelle Praxis zusammengeführt wurden, ohne dabei die Legitimation der jeweils anderen in Frage zu stellen. »MoneyNations 2« funktionierte wie sein Vorgänger sowohl als Verteiler wenig bekannter Informationen als auch als Diskussionsplattform für Anti-Rassisten.