Heft 4/2003


Post-Empire

Editorial


Vom Abbau alter westlicher Privilegien zur Errichtung neuer globaler Vorherrschaft: Schien es im Gefolge von postkolonialer Theorie und Praxis zu einer Revision der historischen Vormachtstellung Europas und der USA – kurz: »des Westens« – gekommen zu sein, so weist die politische Realität der Gegenwart in eine gänzlich andere Richtung. Zuletzt war häufig vom »neuen Imperialismus« die Rede, der, entgegen allen Ideen einer Virtualisierung oder »Deterritorialisierung« von Macht, unablässig neue Frontlinien und Unterwerfungsszenarien generiert. Selten genug werden dabei die Sichtweisen der tatsächlich Leidtragenden dieses imperialen Bestrebens berücksichtigt.

Einmal mehr geht es also um Fragen der neo-kolonialen Autoritätsansprüche, aber auch dahingehend, wie ein mögliches »Danach« dieser neuen imperialen Weltordnung aussehen könnte. Edward Said, kürzlich verstorbener Mitbegründer des Postkolonialismus-Diskurses und nimmermüder Kritiker westlicher Machtbestrebungen im arabischen Raum, widmet sich in einem seiner letzten Texte den »imperialen Sichtweisen«, die nicht aufhören, den Blick auf ein emanzipatorisches Weltbild zu verstellen. Verschiedene europäische Initiativen, um die Verbrechen und Machenschaften des alten Kolonialismus aufzuarbeiten, werden ergänzend dazu diskutiert (Dierk Schmidt, Martin Reiterer). Aber auch der Bildproduktion in ehemaligen europäischen Kolonien gilt ein besonderes Interesse, beispielhaft ersichtlich in der Foto-Biennale von Bamako (Mali) oder in den Filmen des kamerunischen Regisseurs Jean-Marie Téno, die allesamt den Blick zurück auf ein Europa der Widersprüche spiegeln. Schließlich verdeutlicht sich etwa anhand der aktuellen kulturpolitischen Bemühungen in Thailand, wie gerade in den – häufig ignorierten – Gegenwartskunstszenen im asiatischen Raum brisante Ansprüche zwischen Globalisierungskritik und Selbstbehauptung erhoben werden (Keiko Sei).

Ob in Filmlandschaften, in denen die Effekte der momentanen Imperialismusbestrebungen drastisch sichtbar werden, oder in den immer neuen Aufbereitungen nicht-westlicher Kunst für ein westliches Publikum – an vielfältigsten kulturellen Schauplätzen konturieren sich heute Formen und Ausmaße des »Post-Empire«.