Heft 4/2003 - Post-Empire


Woman’s work is never done

Nachruf auf die Künstlerin Birgit Jürgenssen

Brigitte Huck


Sucht man im Künstlerinnenleben von Birgit Jürgenssen nach einem starken Bild, das als Logo taugt, für drei Dekaden Maskenspiel im Kunstbetrieb, dann ist es eine Küchenschürze. 1975 schnallte sie sich das Kartonmodell eines Gasherds um. Frühes Austria Email. Im Backrohr lag ein Wecken Brot. Das Bild der jungen Frau – brave Frisur, bedrucktes Blümchenkleid, Spangenschuh – erschien zunächst im Architektur- und Designkontext der Zeitschrift »domus«, und ist seither aus keiner Publikation wegzudenken, in der es um die Rebellinnen des Kunstbetriebs geht. Produziert für VALIE EXPORTS legendäre Ausstellung »MAGNA – Feminismus: Kunst und Kreativität« (1975), ist die Hausfrauen-Küchenschürze geradezu prototypisch für Birgit Jürgenssens ironisch gebrochene Strategien gegen den gesellschaftlichen Beton, der in den siebziger Jahren noch schwer auf dem aggressiv angefeindeten feministischen Terrain Wiens lastete.

Die Zeichnungen von damals wie »Bodenschrubben«, »Bügeln« oder »Pflichten einer Ehefrau« zeigen das schwache Geschlecht in Ausübung seiner »wahren« Bestimmung, jedoch mit der gewissen Prise von »Travestie und performativer Subversion von Geschlechtsidentität«, mit der auch Judith Butler den essentialistischen Kitt zerbröselte. Jürgenssen hat ihre Einwände gegen die sozial diktierten Konstruktionen von Weiblichkeit unermüdlich, hartnäckig und leidenschaftlich vorgebracht. Das Argumentationsfeld der ausgebildeten Tänzerin: der eigene Körper. Projektionsfläche kultureller Codes, Träger linguistischer Botschaften, Ort der Bilder, Schnittstelle von Realität und Illusion.

Birgit Jürgenssen studierte 1968 bis 1971 an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Sie hat dort bei Maria Lassnig und später an der Akademie der bildenden Künste bei Arnulf Rainer und zuletzt in der Medienklasse Peter Koglers unterrichtet. Bereits ihre erste Ausstellung 1972 im Forum Stadtpark Graz, war eine Kooperation (mit Ingeborg Strobl), der viele weitere, unter anderem mit Lawrence Weiner, folgen sollten. Sie hat in London und New York, in Edinburgh, Berlin, München und immer wieder in ihrer Wiener Homebase, der Galerie Hubert Winter ausgestellt, war an Group Shows vom Museum moderner Kunst Wien bis zum alternativen Thread Waxing Space im New Yorker Soho beteiligt, und im Gender-Schlager »Oh boy, it’s a girl« richtig besetzt.

Jürgenssen, die bereits zu Zeiten als Kuratorin werkte, als das noch nicht zwingend zum CV von KünstlerInnen gehörte, pfiff auch 1998 für die eigene Retrospektive in der Oberösterreichischen Landesgalerie auf wohlmeinende akademische Interpretationen. Die persönliche Ordnung förderte ein facettenreiches Werk zu Tage, das alle, die Jürgenssen vorwiegend mit dem Medium Fotografie verbunden hatten, mit einem Feuerwerk an Zeichnung, Malerei, Objektinstallation und Montage verblüffte. Ein Werkblock um 1980 etwa, der konzeptuelle Fotografie, Performance, Text- und Körperarbeit beinhaltet, siedelt gelassen im internationalen Bezugsfeld der Body Art. Im Sinne der Expanded Photography verändert Jürgenssen die eigene Körpertopografie durch Bild- und Sprachcollagen und behauptet ihre feministische Position mit geradezu agitatorischer Deutlichkeit auf der eigenen Haut. Übungen zum Identitätstransfer durch camouflageartige Körperbemalungen, Masken, Verschnürungen und Verhüllungen bilden ein sehr privates politisches Bewusstsein ab und verzichten auf pamphletartige Demagogie. Das Bild ihres Efeu bedeckten Körpers, in eine Wiese sinkend, in einer Hecke verschwindend, erzählt von einer Natur-, Körper, und Landschaftssynthese, wie man sie ähnlich poetisch und verstörend etwa im Werk von Ana Mendieta findet.

Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Promotion einer selbstbewussten Kunst von Frauen hat Birgit Jürgenssen als Mitglied der einzigen relevanten Aktivistinnengruppe im Österreich der späten achtziger Jahre geleistet, die als »Die Damen« parodistische Events und aufwendige Performances inszenierten, und einmal in die Secession, einmal ins türkische Ankara führten. Mit Ona B., Evelyne Egerer und Ingeborg Strobl hat Jürgenssen, perfekt durchgestylt, hypermotiviert und doch spielerisch, das Genre Tableau Vivant in seinem postmodernen »Anything Goes« wieder belebt. Bühnentaugliche Maskerade und die »theatricality« der Damen flossen in ein Stück, das »Kultur und ihr Make-up« hätte heißen können. Als Strobl das Quartett verließ, sprang Lawrence Weiner als vierte »Dame« ein und war beim Taubenfüttern am Markusplatz so außergewöhnlich authentisch, dass er sich für eine weitere Zusammenarbeit qualifizierte. Für das Künstlerbuch »I Met a Stranger« schickte Jürgenssen einige ihrer Körperprojektionen nach New York . Es sind mit dem Episkop auf Körperteile projizierte Sujets wie Stöckelschuhe, Schriftzeichen oder Sphinxen. Die Licht-Tattoos sind als flüchtig erkennbar, keine Lacanschen Einschreibungen der realen Sorte. Weiner reagiert auf die Post aus Wien und gibt den Konzeptualisten, Kommentator und Voyeur, der Texte beisteuert und Löcher in die Buchseiten stanzt.

»Birgit«, schrieb der Dichter Reinhard Priessnitz einmal, »bilder, bildliches, den augen gut, dem sinne tauglich, der kommunikation komfortabel, alles bleibt in betrieb, und die wunderlichen bildkonstrukte, die du in deinen ma(h)lvorgängen konzipiert und durch die maschine der emotionen, anspielungen und um zuschüsse angereichert hast, erlauben dann so armen, eingemehlten wehmüllern wie mir diesen scheuen, in schüchterne sprache gebrachten dank und gruß. Bis zum nächsten ma(h)l!«