Heft 1/2007 - Andere Modernen


Treffen in einem Warteraum

Interview mit dem Raqs Media Collective

Cédric Vincent


Das Raqs Media Collective ist eine Gruppe von Medienarbeitern mit Sitz in Delhi. Von Dokumentarfilmen hat sich Raqs hin zu intermedialen Installationen bewegt, die auf einer anspruchsvollen visuellen Kompetenz fußen, alle Arbeiten aber untersuchen die Aspekte jener gespenstischen Dinge, die unterhalb und außerhalb unserer Welt liegen. Gemeinsam mit Raqs werden wir uns fragen, ob das kritische Verständnis der Moderne und ihrer Zumutungen ein produktives Projekt sind.

Cédric Vincent: Eine kritische Bestandsaufnahme der Moderne muss mit der Enthüllung ihrer wahren Gesichter beginnen. Was sind die wahren Gesichter der Moderne?

Raqs: Vielleicht ist die Moderne, wie das Kapital, gesichtslos. Wenn man glaubt, flüchtig ins Gesicht der Moderne geschaut zu haben, hat man in Wahrheit eine Serie von Masken gesehen. Irgendwo ist das kubistische Gesicht auch eine afrikanische Maske. Das heißt, dass, wenn wir eine kritische Bestandsaufnahme der Moderne fordern, es eher darum geht Masken, als Gesichter zu enthüllen.

Sehen wir uns eine solche Maske, die die Moderne trägt, genauer an: die des Eigentums. Die Stärkung des Eigentums als singuläre Form des »Habens« geht mit dem Aufkommen der Moderne einher. Eigentum heute ist gleichermaßen exklusives System des Besitzes, als auch System exklusiven Besitzes, durch welches eine natürliche oder juristische Person oder der Staat das Recht beanspruchen kann, von Land, materiellen Gütern, Geld, Dienstleistungen oder immateriellen Ressourcen zu profitieren, sie zu verwalten und abzuwickeln.

Die Situation des Bodens ist jedoch viel komplexer und widersprüchlicher, als sie von einem erst relativ kürzlich gewonnenen und spezifisch juristischen Verständnis des Eigentums aus berücksichtigt werden könnte.

Denken wir an die Komplexität historisch gewachsener, verhandelter, durch Gewohnheit definierter eigentumsrechtlicher Formen und Bräuche. Es gibt eine Vielzahl an Nutzungs- und Inbesitznahmemöglichkeiten, besonders in Bezug auf Land und Gebäude, vom Besetzen über das Campen hin zum Ernten, zum Aufstellen von Kiosken; Zelte oder Landstreifen, wo Menschen leben können, anbauen, fischen, ihre Dienstleistungen verkaufen oder für unterschiedlich lange Zeiten Unterschlupf suchen. All diese Praktiken komplizieren und fragmentieren die Frage des Eigentums.

Das andere Extrem sind gegenwärtige Instrumente wie Darlehen, Mietverträge und Hypotheken, die die Eigentümerschaft kontrafaktisch durchkreuzen. Dies hat mit der Art zu tun, wie staatliche Regulierungen und die Tätigkeit der globalen Finanzinstitutionen sich auf die Eigentümerschaft auswirken. Wenn etwa jemand sagt, ihm gehöre ein Haus, eine Firma (oder ein Staat!), vergisst er meistens das zu erwähnen, was wirklich der Fall ist, die Tatsache nämlich, dass Darlehen, Mietverträge und Hypotheken von finanziellen Institutionen und Fonds nötig sind, um funktionsfähig zu bleiben. Sollten sie dem nicht nachkommen, wird das Eigentum wieder bis zur nächsten Auktionsrunde an den höher stehenden Eigentümer oder Gläubiger übergehen.

Die Idee des Eigentums stellt eine mächtige fiktive Präsenz dar, die die Mobilisierung enormer produktiver Energie ermöglicht, auch dann, wenn sie intensive Gewalt auf alles ausübt, was sich ihr in den Weg stellt. Diese Fiktion – diese Idee eines »Gesichts« zum Eigentum – hilft einigen Menschen und Klassen die Aufgabe zu vereinfachen, für sich und andere eine Geschichte zu konstruieren, die die verworrenen Netze der Ansprüche und Gegenansprüche innerhalb einer einzigen Trope des exklusiven Eigentums zu verflachen weiß.

Im Bereich der intellektuellen Arbeit und Werte schafft sie mit einem einzigen Schlag einen unendlichen Raum, indem sich eine »exklusivistische« Kontrolle ausdehnen kann, während sie gleichzeitig Überfluss in Mangel verwandelt. Die Maske des Eigentums verleiht der Gesichtslosigkeit des Kapitals Autorität, Geschwindigkeit und Gültigkeit.

Diese Sicht auf das Eigentum kann uns – durch Analogie – zu einer Methode verhelfen, die uns die fiktive Aufladung der Moderne verstehen lässt.

Vincent: Was verstehen Sie unter dieser »fiktiven Aufladung« der Moderne? Wie setzen Sie sich damit in Ihrer Praxis auseinander?

Raqs: Die fiktive Aufladung der Moderne stützt sich auf die Konstruktion von Hierarchien, die ihrerseits auf Chronologie, Herkunft und Standort basieren. Sie lässt alle Dinge suspekt erscheinen, die sich nicht in ihren Binaritäten auflösen. Wir werden also genötigt, endgültige Entscheidungen zwischen dem Alten und dem Neuen zu treffen, zwischen Glaube und Zweifel, Gefühl und Vernunft, West und Ost, uns selbst und den anderen. Es gibt ein Beharren der Fahnenträger der Moderne auf einer Gültigkeit durch das Datum (Dinge sind gut weil sie neu oder zumindest die allerneuesten Entdeckungen des sehr Alten sind), durch das Anbringen von Herkunfts- und Authentizitätsnachweisen (Dinge sind gut, weil sie Originale sind, keine Kopien), und durch den Ort (Dinge sind gut wenn sie innerhalb institutionell rationalisierter Räume, nicht aber, wenn sie in der »Wildnis« des unregulierten Raums stattfinden).

In der Praxis stürzt das dynamische Leben der Kultur all diese Ordnungen. Es gibt kein kulturelles Material, das ohne Schatten existiert, ohne Echos, Erinnerungen, Reproduktionen oder Resonanzen aus anderen Zeiten und Orten. Der Diskurs der Reinheit, ob im Namen des Alten oder des Neuen, hat lediglich verkümmernde Wirkung. Das tatsächliche Leben der Kultur findet in der Kontinuität, im Kontakt, im Kopieren und in der Übertragung statt, nicht nur in Rissen und Brüchen. Selbst untergeordnete Aneignungen der Moderne für gelegentlich (und gewöhnlich beschränkte) emanzipatorische Ziele, folgen gut etablierten Mustern, die weniger auf einen Neubeginn, als auf die Tradition der Traditionsverweigerung verweisen.

Die Fantasie einer Moderne sui generis, die klare Demarkationslinien zwischen dem Alten und dem Neuen zieht und die »Schutzzonen« für jene Aspekte des Antiquierten schafft, die dem Staatenbildungsprojekt angemessen sind, hat »national-kulturelle« und revolutionäre Eliten in vielen Teilen der Welt verfolgt und das das ganze zwanzigste Jahrhundert. In jedem Fall war dieser Versuch, Modernität aus dünner Luft heraus zu konstruieren, von Gewalt begleitet und traf auf unterschiedlich intensive Widerstände, hauptsächlich von Menschen, die Alleine gelassen werden wollten, um ihre Schicksale selbst auszuschmücken.

Durch ständiges Ummodellieren und Revidieren all jener Konzepte und Ideen, die wir in Überresten verkörpert sehen, in Verwischungen und Überlagerungen, in Warte- und Ruheräumen, versuchen wir im Grunde Gegenmittel zur Amnesietendenz der Moderne zu finden. Wir versuchen, wenn man so will, uns daran zu erinnern, dass es produktiver für uns ist, mit Unbestimmtheiten und Ambiguitäten zu leben, als uns den Binaritäten auszuliefern, die auf Chronologie, Herkunft und Standort beruhen. Wir haben ebenfalls versucht, anerkannte Chronologien und den »Kult des Neuen« durcheinander zu bringen, indem wir zeigten, auf welche Art die Vergangenheit in vielem von dem, was als »neu« gehandelt wird, weiterwirkt. Wir möchten jene »Geistergeschichten« erzählen, die tief versteckt in der Geschichte unserer Moderne liegen, da sie es uns erlauben, die Art zu erforschen, wie, sagen wir etwa ein Fingerabdruck im ländlichen Bengalen von 1858, immer noch in der Diskussion gegenwärtiger biometrischer Technologien nachwirken kann. Die Erforschung dieser spukenden Erzählungen erlaubt uns unerwartete und unheimliche Assoziationen zwischen Prozessen herzustellen, die, oberflächlich betrachtet, in großer räumlicher und zeitlicher Distanz zueinander liegen.

Vincent: Sie haben an anderer Stelle Interesse am Konzept des »Off-Modernen«1 gezeigt. Ist es mehr als eine Pose, »off-modern« zu sein? Ist »off-modern« zu sein, eine Art, der Moderne zu entfliehen oder einfach eine andere Art modern zu sein?

Raqs: Die Bedeutung des »Off-Modernen« muss mit einer gewissen Leichtigkeit (aber umso zielsicherer Absicht) entwickelt werden, um sein Potential als Bastion gegen die Bestimmtheiten und Autorität solcher Kategorien wie Modernität und Tradition zu realisieren. Die Autorität der Modernität abzulehnen, heißt nicht, sich von der Moderne weg zu bewegen. Wohin sollte man denn auch gehen?

Nein, uns interessiert eher das, was Svetlana Boym »Umwege in unerforschte Möglichkeiten des Projekts der Moderne«1 nennt. Das meint keine Suche nach »Alternativen« oder »anderen Modernen«. Dies wäre der Fall, wenn es verschiedene Modelle gäbe, für die man sich nur zu entscheiden bräuchte - »diese« Moderne statt »jener« wählen oder ablehnen.

Die Idee »unerforschter Möglichkeiten« hat eine interessante zeitliche Konnotation. Sie lässt an etwas denken, das gleichsam kontingent existiert oder existiert hat und zur selben Zeit darauf wartet, Auslöser einer Handlung zu werden. Etwas, das vielleicht gewesen und doch wieder sein könnte – ein Schnittpunkt der möglichen Vergangenheit und der kontingenten Zukunft an der Stelle der Jetztzeit.

Vincent: Meinen Sie damit eine Position gegenüber der Moderne, die »noch in den Startlöchern wartet«? Verschiedene Züge probieren, ein ewiges Ausspielen der Möglichkeiten?

Raqs: Ja. Die Idee einer andauernden Probe. Verschiedene Verkleidungen anprobieren, verschiedene Dinge in Erwartung verschiedener Resultate machen und werden. Die Probe ist immer ein Prozess, nie ein Produkt; sie ist nie in der Lage die Anforderung von Vollkommenheit oder Reichhaltigkeit zu erfüllen. Wenn man probt, tritt man nicht auf. Stattdessen wartet man darauf aufzutreten, und während du wartest, gehst du deine Züge durch, übst deine Bewegungen. Die »unerforschten Möglichkeiten des Projekts der Moderne«, all das, was hätte gewesen sein können, ist verwandt mit Proben und Improvisationen.
Wir haben es nützlich gefunden, die Probe- und Improvisationsräume als »Warteräume« oder »Vorräume« zu denken, oder als »Künstlerzimmer« der Moderne. Die Beziehung zwischen diesen Räumen und der Moderne definiert sich jedoch nicht durch ein chronologisches Hintennach-Sein allein. Eher könnte es als eine beständige Erwartung eingestuft werden oder ewige Nostalgie oder ein unaufhörliches Bereuen oder andauernden Skeptizismus oder ausgehaltenen Enthusiasmus oder fortdauernde Verwirrung – oder Kombinationen hieraus. Was man dann bekommen hat, ist die Möglichkeit eines nuancierten und flüssigen Spektrums von Haltungen zur Moderne, die in diesen »Künstlerzimmern« oder »Warteräumen« ad infinitum geprobt werden können.

Es mag merkwürdig klingen, auf dieser Nomenklatur des »Warteraums« zu bestehen und gleichzeitig Chronologie abzulehnen. Wir bestehen darauf, dass es keinen Ausweg aus der Moderne gibt, zur selben Zeit sagen wir aber auch, dass, sobald man einmal die Zugkraft der Moderne in ihrer fiktiven Aufladung sieht, es möglich wird, eine »Erzählung« über die Moderne zu schreiben. In Wartestellung zu bleiben bis zu dem Moment, wo die »Fiktion« enthüllt wird und die Maske sichtbar wird als das, was sie ist. Sobald einmal enthüllt wurde, was im Prinzip nur eine Methode war, um eine Geschichte zu erzählen, wird es auch möglich, die verschiedensten Dinge mit dieser Story zu tun. Anstatt weniger zu werden, vervielfältigen sich die Möglichkeiten.

Die Moderne im Warteraum ist ein Manuskript, das neu geschrieben werden kann, primär, weil es keine Not gibt, die Moderne aufzuführen – lediglich sie zu proben. Die Probe ist eine Form der kritischen Praxis, weil sie eine dialogische und spielerische, improvisatorische Untersuchung einer Reihe von Zügen umfasst. Der Prozess einer andauernden Probe kann zu einer Moderne führen, die heimgesucht wird von Interpolationen, Annotationen und allen Arten von Eingriffen in ihren Körper und sogar dazu gebracht werden, Dinge zu tun, die nie vorgesehen waren. Moderne, oder zumindest ihre provisorische Aufführung, kann innerhalb der Sicherheit eines Warteraums tatsächlich interessant werden.

Der Warteraum kann dann ein Ort werden, an dem man auf etwas wartet, von dem man weiß, dass es nicht in der Art, wie man es erwartet, kommen wird, so wie man unendlich in der Unterbrechung einer unentschiedenen Reise ruhen kann.

Auf indischen Bahnhöfen heißen Warteräume auch »Ruheräume«, und die beiden Begriffe werden synonym verwendet – ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass »warten« und »ruhen« zwei radikal unterschiedliche Haltungen zur Zeit zum Ausdruck zu bringen scheinen. Die Tatsache, dass der selbe Ort zum »Warten« und zum »Ruhen« verwendet werden kann, ist mehr als bloß ein glücklicher lexikalischer Unfall.

Vincent: Ich könnte mit dem Anthropologen Michel-Rolph Trouillot argumentieren, dass die Moderne eine Geografie des Managements ist, die Orte für politische und ökonomische Zwecke und gleichzeitig auch eine bestimmte Art der Vorstellung schafft, die den chronologischen Vorrang propagiert.2 Ich finde diese Art von Geografie in eurer Arbeit wieder: in »28’N / 77’15’ E::2001/02, The Coordinates of Everyday Life« (2002) und »With Respect to Residue« (2004).

Raqs: Ja, da stimmen wir zu. Und würden Ihnen zur Erwiderung gerne einen Text zeigen, der in einer Serie von Tablett-Unterlagen aus »With Respect to Residue« eingebettet ist, die dekorative Karten der Welt darstellen und von Bildern überlagert ist, die Reste von vier Grundstoffen zeigen, von Tee, Tabak, Erdnüssen und Fisch. Hier also der Text, der die Unterlage mit den Teebeuteln begleitet:

»Die Gewinnung von Wert aus jedem Material, Ort, Ding und jeder Person, schließt einen Prozess der Raffinierung ein. Während dieses Prozesses wird das Objekt eine Verwandlung vollziehen und sich zumindest in zwei Substanzen teilen: ins Extrakt und den Rest.

Teeblätter und Teestaub, Teestaub und ein Teebeutel, ein Teebeutel und eine Tasse Tee, eine Tasse Tee und ein Schuss Koffein, ein Schuss Koffein und ein leichter Energieschub, ein Energieschub und eine Entscheidung, eine Entscheidung und ihre Folgen, die Folgen und ein Fragment von Geschichte, ein Fragment von Geschichte und eine Teewirtschaft, eine Teewirtschaft und Teeblätter, Teeblätter und Teestaub, und so fort.

Mit Bezug auf den Rest: Man könnte sagen, es ist das, was nie seinen Weg in eine tatsächliche Erzählung darüber findet, wie etwas (ein Objekt, eine Person, eine Weise oder eine Seinsweise) entsteht oder in Erscheinung tritt. Es ist die Ansammlung all dessen, was zurückbleibt, wenn Wert gewonnen wurde.

Große Perforationen beginnen in Journalen, in Kalendern und Karten aufzutauchen, und sogar den minutengenauen Tagesordnungen des individuellen Lebens wird – wie Zeitspannen, Landstrichen, Seins- und Tunsarten, ja ganzen Bündeln der Erfahrung – die Existenz verweigert.

Es gibt keine Geschichte des Rests, keine Atlanten des Aufgegebenen, keine Erinnerungen daran, was ein Mensch war, ohne es sein zu dürfen.

Alles ist wertvoll, doch alle Dinge können Abfall werden.

Die Sedimente, die am Rand unserer Welt-Erfahrung herunterstürzen, können sich dennoch entflammend zersetzen um uns, wie Irrlichter nachts im Moorland, seltsam leuchten. Und diese Beleuchtung ist manchmal die einzig mögliche in den weiten Landstrichen ungewissen Gebiets.«

Vincent: Die Moderne ist auch ein Ausdruck des impliziten Wissens, dass wir alle Teil des selben globalen kulturellen Prozesses sind. Würden sie das auch so sehen? Und was ist mit der Globalität als gegenwärtigem Zustand?

Raqs: Wir glauben, dass es an der Zeit ist, die leichtfüßige Vereinigung der Begriffe »modern« und »global« zu untersuchen. Abgesehen von wenigen isolierten Gemeinschaften von Menschen, die sehr lange Zeit ohne »Außenkontakt« überlebt haben, ist es schwierig, das Argument aufrechtzuerhalten, dass irgendeine Gesellschaft oder Kultur jemals von dem Zustand, den wir ein wenig unbeholfen »Globalität« nennen, abgeschirmt waren. Die Routen, die all unsere Vorfahren über die Kontinente genommen haben, sind noch in den kleinsten Details unseres täglichen Lebens eingeschrieben: im Essen, der Sprache, Kleidung, im Gefühl und in Regungen. Das ist kein einzigartig gegenwärtiger Zustand. Die meisten Menschen sind die meiste Zeit der menschlichen Geschichte auf mehr Arten, als wir Lust haben, es uns vorzustellen, »global« gewesen.

Dies heißt jedoch nicht, dass wir alle am selben globalen kulturellen Prozess Teil nehmen. Wir nehmen an verschiedenen globalen kulturellen Prozessen Teil. Der »globale« Prozess, der sich einem Fußballfan darbietet, unterscheidet sich vom dem »globalen« Prozess, zu dem religiöse Fanatiker Zugang haben, oder Modebewusste, Softwareprogrammierer bzw. zeitgenössische KünstlerInnen. Alle bewegen sich eindeutig in globalen Prozessen. In ähnlicher Weise sieht und fühlt sich die Welt als ganze in einem Großmarkt für gefälschte Elektronikartikel in Delhi anders an, als in einem Einkaufszentrum in derselben Stadt. Und die Welt sieht wiederum ganz anders aus in einem Containerhafen in Nordeuropa als auf einer Kaffeeplantage in Südindien. Dennoch sind all diese Orte intensiv durch Handel miteinander verbunden, durch den Verkehr der Güter und Menschen, durch das, was mit dem Kaffee passiert, der in der Plantage gepflückt wird und im Containerhafen abgeladen. Jeder Ort ist ein Zentrum der Welt. Selbe Welt, verschiedene Zentren.

Es gibt viele verschiedene Arten eine Karte der Welt zu zeichnen, und viele verschiedene Arten von Absichten, Impulsen und Begehren, die mit dem Vorgang des Zeichnens solcher Karten verbunden sind. Nie hat es eine Monade der globalen Realitäten gegeben. Den gegenwärtigen Zustand auf den Begriff zu bringen, verlangt zuerst von uns, diese ganz einfache Tatsache zu verstehen – wir bewohnen nicht eine, sondern viele sich kreuzende, überlappende und auch unverbundene Welten. Haben das immer schon getan. Worum es geht, ist, verschiede Routen zu planen, die Menschen in verschiedenen Welten nehmen können, und sehen, wo diese Reisen sich kreuzen. Das heißt, Treffpunkte zu finden, an denen, im Zuge ihrer unterschiedlichen Reisen, der Fußballfan auf den religiösen Fanatiker stößt, oder der zeitgenössische Künstler auf den Wissensarbeiter. Der gegenwärtige Zustand verlangt von uns, Karten aus Karten zu konstruieren, Routen, die aus verschiedenen Routen bestehen, Reisen, die die Konsequenz vieler verschiedener Arten von Reisen sind. Auch die großen Distanzen, die wir täglich innerhalb unserer selbst zurücklegen, sollten dabei nicht vergessen werden.

 

Übersetzt von Brandon Walder

 

1. Svetlana Boym, Nostalgic Technology: Notes for an Off Modern Manifesto, http://artefact.mi2.hr/_a03/lang_en/theory_boym_en.htm

2. Trouillot Michel-Rolph, “The Otherwise Modern: Caribbean Lessons from the Savage Slot” in Bruce M. Knauft (Hg.), Critically Modern: Alternatives, Alterities, Anthropologies, Bloomington: Indiana University Press, 2002.

http://www.raqsmediacollective.net/