Wien. Es ist schwierig, sich ausschließlich auf die Ausstellung zu konzentrieren und die unmittelbar bevorstehende Übersiedlung der Bawag Foundation in die Generali Foundation in der Wiedner Hauptstraße auszublenden. Bei den Medienberichten über die Fusion und der darin vor Cerith Wyn Evans’ Neonlichtschriftzug »Scenes from a Marriage« abfotografierten Verantwortlichen scheinen jene entweder gegenüber der Referenz an den gleichnamigen Bergman-Film und/oder dessen pessimistischen Inhalt, eine Ehe ohne Liebe – die gerade zu jenem Zeitpunkt, als das Ehepaar in einem Zeitungsartikel als harmonisches Beispiel hervorgehoben werden soll, zu bröckeln beginnt –, mutig unberührt. Vor dem traurigen wirtschaftspolitischen Hintergrund könnten weitere Arbeiten der Ausstellung Grundlagen für zurecht erboste Gedankenspiele liefern. Man könnte etwa in Anlehnung an Ross Birrells Schenkung eines Exemplars von Thomas Morus’ »Utopia« an die Vereinten Nationen fragen, was es wohl geändert hätte, wenn man einen Ausstellungskatalog der Generali Foundation im Vorfeld der Fusionsverhandlungen in der Zentrale des Versicherungsunternehmens Generali abgegeben hätte?
Davon abgesehen vermag die Ausstellung »Romantischer Konzeptualismus« tatsächlich eine kontinuierliche und funktionierende Nähe zwischen dem gerade kunsthistorisch eher unvereinbar konnotiertem Begriffspaar aufzuzeigen, beziehungsweise sind ein Großteil der gezeigten Arbeiten auch über das kuratorische Klassifizierungsvorhaben hinaus sehenswert. Als da sind: die vermeintlich romantischen Künstler-Melancholien Bas Jan Aders, Robert Barrys ephemerer Edelgas-Potlatsch, Didier Courbots selbstbestimmte Fleißaufgaben »Needs« im städtischen öffentlichen Raum, Yoko Onos Slow-Motion-Streichholzstudie, Douglas Hueblers die Zeit austricksendes Porträt, Louise Lawlers persiflierende Vogelstimmenwiedergabe männlicher Künstlerkollegennamen, Kirsten Pieroths zerschredderte, zu einem Häufchen zusammengekehrte Besenreste, Allen Ruppersbergs »You and Me Plus« (ein die nach wie vor existenten Beziehungen zu unlängst Verblichenen signalisierendes Memento mori in Knallfarben), Jan Timmes in Richtung gänzlicher Unkenntlichkeit voranschreitende Reproduktionen eines Production Stills des Films »Lawrence von Arabien«, das einen im Wüstensand Kamelspuren beseitigenden Arbeiter zeigt (»Sweeping the Desert«) und auch das Cover des heuer erschienenen Romantik-Themenheftes von »Texte zur Kunst« zierte. All diese Arbeiten sind gegenüber einer rein romantisch-konzeptuellen Lesart ebenso erhaben wie in Tomislav Gotovacs »Showing Elle« durch die halbnackte Lektüre der französischen »Elle« im jugoslawischen Wald zu Titos Zeiten oder in Rodney Grahams Einnahme einer doppelten Dosis des Schlafmittels Halcion in »Halcion Sleep« mit anschließender Fahrt auf dem Rücksitz eines Autos liegend durch eine nächtliche Stadt explizit humoristische Momente freigelegt werden.
Die Arbeit »Woman to Go« von Mathilde ter Heijne vereint Fotoporträts anonymer Frauen aus dem 19. Jahrhundert mit recherchierten Biografien von Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Pionierinnen auf unterschiedlichsten Gebieten, die als Postkarten den Postkartenständern zu entnehmen sind, und spielt hierbei mit dem notorisch menschlichen Drang, Gesichter und Geschichten immer in eine wie auch immer geartete Deckung bringen zu wollen. Die zweite aus Postkarten bestehende Arbeit stammt von Susan Hiller und ist ein gelungenes Beispiel für die dem Konzeptualismus oft inhärente kommunikationsorientierte Umwertung von Original und Reproduktion. In dieser Arbeit, »Dedicated to the Unknown Artists«, wird der latente Magnetismus der beiden Pole Romantik und Konzeptualismus durch den offensichtlichen Widerspruch zwischen methodisch strikter Sammlung einerseits und die romantisch aufgeladenen, anonym gefertigten Küstenmotiven andererseits gelungen illustriert. Die unvermutete, doch frappante Ähnlichkeit eines Stiefmütterchens mit dem Antlitz Friedrich Nietzsches beweist Frances Stark im collagenhaften Spiel, Andy Warhols »Kiss« erweist sich als zeitlos verführerisch und emotional aufwühlend und knüpft nahtlos an die Wiedersehensfreude mit Felix Gonzalez-Torres symbiotischer Wanduhrenarbeit »Untitled (Perfect Lovers)«. Auch hinsichtlich des eingangs erwähnten Foundationquartiers wartet die Ausstellung mit zwei nützlichen und mit glückseligmachender Vergesslichkeit kokettierenden Bonmots für zukünftige Besuche auf: wahlweise Robert Barrys »all the things i know but of which i am not at the moment thinking« – und/oder »ich beklage mich über nichts, und fast gefällt es mir hier, obwohl ich noch nie hier gewesen bin und nichts über diesen Ort weiß« von der russischen Künstlergruppe »Kollektive Aktionen«.