Heft 4/2008 - Lektüre



Harvey Pekar / Heather Roberson. Illustriert von Ed Piskor:

Macedonia

What does it take to stop a war?

New York (Villard) 2007 , S. 75

Text: Martin Reiterer


»Krieg schadet Ihrer Gesundheit!« Slogans dieser Art prangen von Werbeplakaten und Litfasssäulen in Skopje, Mazedonien. Fernsehspots mit Gewehren, deren Lauf zu einer Schlaufe geknüpft ist, werben bei den MazedonierInnen für die Waffenabgabe. Dies findet die junge amerikanische Studentin für Friedens- und Konfliktforschung, Heather Roberson, als sie vor einigen Jahren nach Mazedonien reist, um Thesen ihrer Abschlussarbeit für die kalifornische Universität Berkeley vor Ort zu überprüfen, bemerkenswert.
Was auf den ersten Blick als Charmeoffensive erscheinen mag, ist freilich eingebettet in eine Geschichte mühsamer Errungenschaften, die Roberson als sensationell einstuft. Zweimal hatte dieses Land – gelegen am unteren Ende des ehemaligen Jugoslawien, an den Grenzen zu Serbien, Kosovo, Albanien sowie Griechenland und Bulgarien – mit seiner für die Region typischen multiethnischen Struktur Glück: 1991, als es sich unabhängig erklärte und es schaffte, sich aus kriegerischen Auseinandersetzungen (siehe Bosnien, Serbien) herauszuhalten. Und ein Jahrzehnt später, 2001, als der noch jungen Republik nach sechs Monate andauernden bürgerkriegsähnlichen Kampfhandlungen ein Flächenbrand drohte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf den Kosovo und auf Albanien übergegriffen hätte. Warum diese schweren Befürchtungen nicht eingetroffen sind, versucht der vorliegende Comic zu begründen und darzustellen.
Dabei ist die AutorInnen-Konstellation nicht unbedeutend: Harvey Pekar, der mit Roberson als Co-Autorin das Buch verfasst hat, ist berühmt für seine subjektive selbsterfinderische Schreibweise, durch die er maßgeblich daran beteiligt war, die (autobiografischen) Erzählmöglichkeiten des modernen Comics zu erweitern. Seine legendäre Comic-Heftreihe »American Splendor«, einzigartig unter anderem auch durch die Zusammenarbeit mit Zeichnern wie Robert Crumb, lebt durch die selbstironischen Inszenierungen seiner Person und Umgebung. Absicht ist es, die Begebenheiten und Situationen des Alltags der schmerzlichen Banalität des Nur-Vergänglichen wie der unterschätzten Brutalität des Unbedeutsamen zu entreißen. Lässt sich in diesen Comics zwar eine verborgene Politik des Widerstands orten, so betritt Pekar mit dem unzweideutig politischen »Macedonia« dennoch Neuland. Als Vorbild erwähnt Pekar ausdrücklich Joe Sacco, der mit seiner Comic-Reportage »Safe Area Goražde« ein erschütternd nahes Bild des bosnisch-serbischen Konfliktes der 1990er Jahre, der kriegerischen Zerstörungen und der individuellen Katastrophen nachgezeichnet hatte.
Bezeichnend für »Macedonia« ist allerdings, dass weder Pekar noch Ed Piskor, der Zeichner, selbst nach Mazedonien gereist sind und somit auf die Zulieferungen aus zweiter Hand angewiesen waren. Das könnte zumindest mit ein Grund sein, weshalb eine Symbiose von Text und Bild in diesem Comic nicht wirklich zustande gekommen ist. Tatsächlich laufen Text- und Bildspuren weitgehend nebeneinander her, ohne sich gegenseitig zu befruchten. Während gerade Bilder in Comicbüchern den Text (und umgekehrt) aufs Erstaunlichste zum Schwingen bringen, ihn hinterfragend, kommentierend, überzeichnend in ein aufregendes Spannungsfeld versetzen können, bleibt dieses Potenzial im vorliegenden Fall leider in hohem Maße ungenutzt. Nur gelegentlich erhalten die Figuren, denen Heather Roberson auf ihrer Reise begegnet, ein Eigenleben und bereichern dadurch die Ausführungen zu Zeitgeschichte und Lage des Landes sowie den Diskurs zur Friedenspolitik.
Angesichts der wütenden, alle Gegenpositionen realpolitisch außer Diskussion und außer Kraft setzenden Mittel, Kriege anzuzetteln und fortzusetzen (oft unter dem Deckmantel »friedenstiftender Maßnahmen«), bleibt dieser analytische Versuch über die Möglichkeiten der Kriegsvermeidung dennoch lesenswert und ehrenwert allemal. Schließlich vermag das Buch über das kaum bekannte Mazedonien einer allzu verbreiteten und medial nur mühsam entrinnbaren Haltung entgegenzuwirken, derzufolge Kriege und Terrorismus geradezu zum Mittel der Information über die betreffenden Länder geworden sind. Ein Umstand, der laut einer zugespitzten Überlegung des Schweizers Peter Bichsel zumindest die Frage nach der Mitschuld an diesen Kriegen aufwirft, die Mitschuld von uns Uninformierten, die wir uns aus Bequemlichkeit auf Krieg und Terrorakte als Informationsquellen verlassen.