Heft 3/2009 - Artscribe


Florian Zeyfang

»Slow Narration Moving Still«

22. Februar 2009 bis 26. April 2009
Bildmuseet / Umeå

Text: Marc Glöde


Umeå. Dass der Film als Kunst im Museum angekommen sei, ist eine Feststellung, welche angesichts explodierender filmischer Bildwelten gerade im Verlauf der letzten 20 Jahre zu einer Binsenweisheit geworden ist. Lange Zeit des Museums zunächst nicht für würdig befunden, wurde der Film und besonders filmische Installation seit den 1990er Jahren zunehmend enthusiastisch gefeiert: Hier – und nicht im Kino – so formulierte beispielsweise Boris Groys, könne der Film nun wirklich zu seinem intellektuellen Potenzial vorstoßen.1 Bei solcher Art von Argumentationen irritiert nicht nur eine bemerkenswerte Ausblendung in Bezug auf die vielschichtige Geschichte des experimentellen Films im Kino sondern auch jener Positivismus und die Unreflektiertheit in Bezug auf die filmischen Voraussetzungen in der Institution Museum. Und es ist durchaus bemerkenswert festzustellen, dass während das Kino im Zusammenhang mit jener in den 1970er Jahren formulierten Apparatuskritik2 durchaus einer intensiven Befragung ausgesetzt wurde, diese Auseinandersetzung für den Film im Museum, auch angesichts einer Institutional Critique, bis heute noch aussteht.
Florian Zeyfang hat mit vielen seiner Arbeiten und Ausstellungskonzeptionen jedoch gerade diese oft ausgeblendete Frage nach dem filmischen Dispositiv im Museum und nach den architektonischen Bedingungen des musealen Apparates immer wieder zentral einfließen lassen: Wie bereits in seiner Auseinandersetzung mit Arbeiten Jean-Luc Godards (»I said I love. That is the promise. The TVideopolitics of Jean-Luc Godard«, mit Gareth James/Annette Schindler, New York 1999), seiner Beschäftigung sowohl mit dem Thema Zeichnung im Film (»3D à la main«, Bremen 1999) als auch mit dem Œuvre Dziga Vertovs (»DV heißt Dziga Vertov«, Norwich/Los Angeles 2001) – um nur einige der herausstechenden Beispiele zu nennen –, nimmt Zeyfang auch in seiner jüngsten Ausstellung »Slow Narration Moving Still« die Frage nach den architektonischen Bedingungen als zentralen Aspekt seiner künstlerischen Tätigkeit auf. Dabei spielt die Ausstellungswand, jene oft einfach stillschweigend akzeptierte Grundvoraussetzung für Zeichnung, Malerei und Projektionsarbeiten wie Film, Video oder Diaprojektion, eine entscheidende Rolle. Anstatt die bestehenden Wände des Museums für seine präsentierten Projektionsarbeiten zu nutzen, entwickelte Zeyfang vielmehr für diese Ausstellung eine sich durch alle Räume faltende Projektionswand. Als Bestandteil seiner neuen Arbeit »Horizon« (2009), eine fotografisch-filmische Abtastung eines Landschaftsgemäldes mit schrägem Horizont, verhält sich diese Konstruktion dabei zu den umgebenden architektonischen Strukturen geradezu offensiv: Die Ausrichtung der Wand orientiert sich nicht an einem rechtwinklig am Grundriss der Museumswände ausgerichteten Raster. Im Gegenteil: Diagonalen und Schrägen erzeugen eine Dynamik, welche sich durch die ganze Ausstellungsfläche legt. Interessanterweise konstituiert sich aus dieser Dynamik aber trotzdem kein räumlicher Sog, dem sich das durch die Ausstellung gehende Publikum ausliefern könnte. Vielmehr gerät man beim Gang durch die Räume immer wieder ins Stocken. Dies liegt vor allem daran, dass Zeyfang seine Projektionswand nicht als ein geschlossenes Band entwickelt hat, an dem entlang sich die Ausstellung fortlaufend entwickelt. Immer wieder tun sich stattdessen in den Faltungen der Wand hier Lücken auf, welche das Flanieren von Arbeit zu Arbeit unterbrechen und beständig neue Blicke durch die Raumstruktur eröffnen.
Es ist bemerkenswert, wie die einzelnen Arbeiten Zeyfangs gerade neben diesen Löchern im architektonischen Gewebe der Wand eine eigenwillige Dynamik entwickeln können, bei der die einzelnen Arbeiten sich sowohl als ganz eigenständige ästhetische Auseinandersetzungen als auch in einer Bezogenheit aufeinander verstehen lassen. So widmet sich die Diaprojektion »The Dispossessed« (2008) der Frage nach dem Verhältnis von Kunst, Politik und der Idee des Utopischen im Zusammenhang mit verschiedenen auf Kuba realisierten Architekturen, während die Diaarbeit »Filmbeleuchter« (2007) besonders die Frage des Zusammenhangs der filmischen Lichtgebung und des Settings adressiert. In seinem Video »Introduction to a Small History of Photography« (2006/8), die sich auf Walter Benjamins gleichnamige Publikation bezieht, nutzt Zeyfang wiederum das bewegte Bild dazu, sich in geradezu klassischer, dem strukturellen Film eigener Weise, mit dem Verhältnis zwischen Bild und der Publikation des Buches zu beschäftigen. Dabei lässt er den Film jedoch nicht einfach durch seine Kamera laufen – Zeyfang konzipiert die Arbeit vielmehr komplett aus Einzelbildaufnahmen. Und in seiner 3-Kanal-Arbeit »Spirit« (2006) widmet sich der Künstler schließlich verstärkt sowohl dem indischen Film, als auch der Frage nach unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Bildabfolge von Filmsequenzen.
So different die einzelnen Arbeiten in ihren thematischen Ausrichtungen sind und so breit das Feld der von Zeyfang eröffneten Auseinandersetzungen ist, so deutlich tritt jedoch neben dieser Divergenz unmittelbar auch ein allen Arbeiten gemeinsames Moment, ein verbindendes Interesse am grundlegenden Gedanken des Filmischen hervor. Egal, ob Diaprojektion, Einfach- oder Mehrfachprojektion, Monitorarbeit – immer scheint den Künstler ebenso die Frage nach der Verbindung von Bildern zu einem filmischen bzw. sogar narrativen Moment zu beschäftigen. Dabei zeigt sich, dass es für Zeyfang gilt, den selbstverständlichen Lauf der Bilder und ihre Verbindung zu einer Geschichte kontinuierlich ins Stocken zu bringen. Gilles Deleuze hatte diese filmische Praxis, das Unterbrechen des sensomotorischen Ablaufs der Bilder, jenes Stottern der Bilder, in seinen Büchern zum Kino immer wieder als eines der markantesten Momente des neuen Films nach 1945 benannt. Gerade an den offenen Stellen und Brüchen ermöglichte diese Form für ihn ein neues Denken in Bildern. Doch was Deleuze noch auf das filmische Dispositiv reduziert verhandelt, wird bei Zeyfangs Installation weiter in den Raum selbst geführt. Es geht um das Zusammenspiel der filmischen und architektonischen Apparatur. Hält man sich vor diesem Hintergrund nach dem Gang durch die Ausstellung schließlich noch einmal die Bedeutung der Projektionswand vor Augen, so fühlt man sich in ihrer Funktionsweise durchaus an die besagten Auseinandersetzungen von Deleuze erinnert. Auch die Projektionswand, jenes räumliche Band, erzeugt bei Zeyfang eine Wahrnehmung, die sich einer (Ein-)Geschlossenheit und hermetischen Abfolge entgegenstellt. Sie ermöglicht eine Art Unterbrechung jener Dynamik des musealen Flanierens und eröffnet Denkräume, die sich als Verflechtung von Film und Architektur zeigen. Und es ist genau in diesem Zwischenraum, dass sich ein Denken, welches nicht weiterhin auf eine statische Fixation der Werte Bild oder Raum ausgerichtet ist, entwickeln kann.

 

 

1 Boris Groys, … in der Autonomie des Betrachters. Zur Ästhetik der Filminstallation, in: Schnitt, Nr. 22/2001, S. 10–14.
2 Für einen Überblick zur Apparatuskritik siehe: Hartmut Winkler, Der filmische Raum und der Zuschauer. »Apparatus« – Semantik – »Ideology«. Heidelberg 1992.