Heft 1/2010 - Artscribe


»Young and Reckless«

3. Dezember 2009 bis 19. Dezember 2009
BAWAG Contemporary / Wien

Text: Christa Benzer


Wien. Die Galerie Meyer Kainer hat einen, Rosemarie Schwarzwälder präsentiert in ihrem »Login« junge künstlerische Positionen und bei »Krinzinger Projekte« zeigt die bekannte Wiener Galeristin bereits seit 2002 ein junges, noch nicht etabliertes alternatives Programm. Was die Räume miteinander verbindet, ist ihr Offspace-Charakter, den man nicht nur mit den jungen Künstlerinnen und Künstlern, sondern auch mit Barbetrieb, Konzerten und einer Trennung von den angestammten Galerieräumlichkeiten signalisiert.
Von der Anziehungskraft der Offszene inspiriert hat nun vor einem Jahr auch Christine Kintisch, die Leiterin der BAWAG Foundation, neue Räumlichkeiten bezogen: Im Foundations Quartier, das sie seit einigen Jahren mit Sabine Folie, der Leiterin der Generali Foundation, teilt, werden von ihr zwar nach wie vor zwei Ausstellungen im Jahr kuratiert – für die Kunstöffentlichkeit scheint die Reihe »Young and Reckless« in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Bankfiliale allerdings fast wichtiger geworden zu sein.
Erwartungsgemäß war die Eröffnung der Reihe im Dezember 2008 überlaufen, der Publikumsandrang ist aber auch ein Jahr danach noch nicht abgeflaut: Das liegt zum einen sicher darin begründet, dass hier eine etablierte Institution neue Wege beschreitet, hängt aber weiters damit zusammen, dass Kintisch gemeinsam mit ihrer Kokuratorin Brigitte Huck ein Ausstellungsprogramm konzipierte, das eine junge, aber gut vernetzte Wiener Szene bedient.
Jung, unbekümmert und rücksichtslos sind in der insgesamt zwölf Ausstellungen umfassenden Reihe allerdings mehrheitlich junge Männer: Denn neben den Einzelpräsentationen von Susanne Winterling und Karina Nimmerfall hatten nur noch die Chicks on Speed einen Auftritt, die dieses auffällige Missverhältnis trotz ihres potenten Girl-Power-Auftritts auch nicht wirklich wegzuspielen vermochten. Dem Prädikat »reckless« kam die nicht mehr ganz unbekannte Kunstfrauenband dennoch am nächsten, schließlich vermitteln ihre Performances wenig Respekt vor der Kunstwelt, in die sich die jüngeren Künstlerinnen und Künstler gerade einzuschreiben versuchen.
Dass diese die Chance einer Einzelpräsentation sehr ernst genommen haben, hat in der gar nicht so einfach zu bespielenden Halle zu einer Reihe sehr bemerkenswerter Präsentationen geführt, in deren Rahmen auch lokale Musiker und Bands wie Philipp Quehenberger, Der Schwimmer, Thalija, Gustav oder die Beauties of the Night ihre Auftritte hatten. Letzteres ist eine »crazy-loud-sound«-Formation, die aus vier Künstlern besteht, von denen zwei in der Ausstellungsreihe auch ihre künstlerischen Arbeiten zeigten: Passend zum punkigen Sound der Band titelte die imposante und eigentlich in ganz andere Universen führende Diainstallation von Markus Krottendorfer »The Future is gone«, während Christian Eggers skulpturale Installationen eine Trash-Ästhetik verinnerlicht haben, die das Interesse des Künstlers, Musikers, DJs, Kurators und Fanzine-Herausgebers für die pop- und populärkulturellen Sphären und Betätigungsfelder auch formal zum Ausdruck brachten.
Angesichts der Tatsache, dass Yves Mettler, ebenfalls ein Künstler der Reihe, gemeinsam mit Christian Egger zu dem Herausgeberkollektiv des unter wechselnden Namen bekannten Fanzines »Chicago«, »Helvetica« etc. gehört, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in der Zusammenstellung des Programms auch Freundschaften eine Rolle spielten. Dies würde einerseits die im Ausstellungstitel angekündigte »Sorglosigkeit« der versammelten Künstler sehr schön untergraben, erklärt vielleicht aber auch, weswegen insgesamt der Eindruck einer männlich dominierten jungen Szene entsteht.
In Wirklichkeit schaut diese in Wien jedenfalls um einiges differenzierter aus und ohne die Kuratorinnen ihrer Verantwortung zu berauben, würde man sich gerade auch von den jungen Künstlern erwarten, dass sie auf der gleichwertigen Präsenz von Künstlerinnen bestehen. Nicht nur, weil ihre künstlerischen Positionen ansonsten Gefahr laufen könnten, in ihrer Gesellschaftskritik nicht ganz ernst genommen zu werden, sondern auch weil man die Ausstellungen von Karina Nimmerfall und Susanne Winterling keinesfalls missen wollte: Karina Nimmerfall untersuchte in der modellartigen Rauminstallation »Executive Office« mithilfe von Videoprojektionen und Computersimulationen den Zusammenhang zwischen globalen Medienproduktionen und damit zusammenhängenden Wirklichkeitskonstruktionen, und Susanne Winterling schrieb sich nicht nur mit dem Ausstellungstitel »I’ll be your mirror, but I’ll dissolve« in die Reihe feministisch informierter Künstlerinnen ein, sondern erwies ihren »Vorbildern« auch mit einer Fotoinstallation Reverenz: Die Serie zeigte Aufnahmen von lesbischen Zirkeln der 1920er-Jahre, von fiktionalen Ikonen wie Fassbinders Effi Briest, aber auch von in Vergessenheit geratenen realen Persönlichkeiten wie Annemarie Schwarzenbach, eine Schweizer Fotografin, Journalistin und Lesbierin, die antifaschistische Radiosendungen schrieb und sich in ihrem fotografischen Werk unter anderem mit Rassentrennung befasste.
Frauenfiguren tauchten bei Winterling zudem in zwei Videos auf, wobei die Arbeit »Play (Winterling)« eine Geigerin bei ihrem virtuosen Spiel zeigte, während auf der Tonebene Kratzgeräusche und Vogelgezwitscher die mit dem Bild verbundenen Erwartungen brachen.
Um an scheinbar fixierten Bildern und Repräsentationen zu kratzen, hat in der Reihe auch Marko Lulic mit Sound experimentiert: In Anlehnung an seine bisherigen Auseinandersetzungen mit in Stein gehauenen Ideologien titelte seine Ausstellung »Denkmalpflege und Bodywork 2« und umfasste drei Videoinstallationen, in denen tanzende Körper die machtvolle Wirkung von Denkmälern zumindest kurzfristig transformieren.
Zur Riege jüngerer KünstlerInnen gehört Marko Lulic im Grunde aber ebenso wenig wie der deutsche Konzeptkünstler Franz Erhardt Walther, der in der Reihe die Rolle des Künstlerkünstlers übernahm. In einem Videointerview, das auf der Website der umfangreich dokumentierten Ausstellung zu sehen ist, hob der 1974 geborene Künstler Christoph Weber die Bedeutung von Walther für seine ebenfalls konzeptuell angelegte, bildhauerische Arbeit hervor, mit der der Ausstellungsreigen im Dezember 2008 einen spannenden Auftakt erfuhr.
Abschließend lief die Ausstellung von Florian Hecker, dessen minimalistische Sound-Installation die leere Ausstellungshalle mit lauten, raumbildenden Tonwirbeln füllte.
Ob die Reihe mit seiner Präsentation tatsächlich schon wieder Geschichte ist, hat Christine Kintisch bis dato offengelassen – die Chancen auf Fortsetzung stehen aber wohl gar nicht so schlecht, schließlich hat man ja nicht auf die Subversion des Betriebs, sondern mit dem Jungen, Temporären, Flexiblen auf mittlerweile hoch im Kurs stehende, neoliberale Werte gesetzt.