New York. Als Ode ans Ficken ist »Community Action Center« von A. K. Burns und A. L. Steiner gleich fantasievoll wie wollüstig. Die Gemeinschaftsinstallation verwandelt die Galerie in ein Kino mit Stühlen, auf denen das Publikum ein 69-minütiges mit Anzüglichkeiten gespicktes Video komfortabel genießen kann. Das Video reagiert auf – und verwendet zum Teil – Tropen aus Schwulenpornos, queere Literatur über die sexuelle Befreiung und kritische Texte zu Sex und Macht, die in allen lesbischen und feministischen Bewegungen Widerhall fanden. Im Begleitheft zur Ausstellung werden einige dieser Schlüsselbezüge genannt. Hier finden sich Auszüge aus Jack Smiths Prosagedicht »Normal Love«, aus Jean Genets »Querelle«, aus einem Manifest von Audre Lorde und Gedanken anderer ähnlich gesinnter Freigeister. Humorvoll, erotisch und polemisch zugleich analysiert »Community Action Center«, was Pornografie, was Gemeinschaft und was die Beziehung zwischen Handlung und Diskurs ausmacht.
Anstelle der rasierten, depilierten und künstlich beleuchteten Körper der professionellen Pornografie zelebriert die Arbeit den Körper als durchlässige chaotische Entität, die eher im Freien als im Bett anzutreffen ist. Bei Burns und Steiner spielen diese Körper allein oder gemeinsam mit Essen, mit Geschlechtsteilprothesen und Kostümen. Die Gezeigten sind in Wahrheit PerformerInnen, die im Nachspann zwar nur unter Pseudonymen genannt werden, jedoch ein engmaschiges Netz queerer Kunstschaffender darstellen, die über ihre ästhetischen Ziele und auch privat verbunden sind. Passenderweise variiert ein Statement der Künstlerinnen einen Slogan aus den 1960er-Jahren – »Das Private ist nicht nur politisch, sondern sexuell« –, auch wenn diese elliptische Behauptung kaum schlüssig erscheint. Das Video beginnt mit einer kirre orgiastischen Szene, in der die DarstellerInnen mit klebrigem Zeug, einer schlüpfrigen Wassermelone hantieren und posieren und feiern und spielen. Sie formen Körperteile aus Ton und hängen sie mit Klebeband zusammen. Kichernd herumbalgend heben sie zu ihrem Sex-, Rollen- und Genrespiel an.
Was nun folgt, ist eine Serie von 18 kurzen Sexszenen, zu denen Songs von Post-Punkbands wie Chicks on Speed, Lesbians On Ecstasy und MEN ertönen. Nur wenige Geräusche der Handlung dringen durch diesen Musikmix – mal ein Keuchen, mal ein Peitschenknall oder Klatschen. In einer Szene verfolgt eine Leder-Butch eine Frau durch die Straßen einer Stadt bis in einen aufgelassenen Verschiebebahnhof. In der dort stattfindenden Sexsession wird auch mit dem Messer gespielt, allerdings ohne Blut – ein Zitat aus »harten« Schwulenpornos und zugleich Anspielung auf die Anspannung anonymer Rendezvous. Später haben sie Sex, der mit größter dokumentarischer Nüchternheit gefilmt wird. Eine andere Performerin wiederum ist esoterisch aufgemacht und spielt so auf den Mythos des angeblichen Zusammenhangs zwischen weiblicher Fruchtbarkeit und Mutter Erde an. An dieser Stelle jedoch greift die androgyne Transgender-Künstlerin Pony ein. Sie/er erhebt die Doppelaxt der Amazonen, masturbiert mit einem Quarzkristall und gebärt – ein Ei. Am stärksten körperlich wirken indes die nicht – jedenfalls nicht nach konventionellem Maßstab – explizit sexuellen Szenen. In einer kommt zwar eine Art Penetration vor, bei der eine Performerin Federn auf die Stirn und den Hintern einer anderen näht. Die Nadel sticht durch die Haut, der Faden wird durchgezogen, immer und immer wieder, bis die Aktion in Aufnahmen der Benähten übergeht, die ihren Kopfbusch und Vogelschwanz präsentiert. Nicht weniger fesselnd ist das Duett von Ashland Mines und Wu Tsang, deren Stimmen und Gekeuche sich vermischen, obwohl die Körper sich nicht berühren. Das Video endet schließlich damit, dass eine Performerin routiniert ein Auto wäscht und dabei ihre Riesenbrüste der filmenden Person hinter dem Lenkrad präsentiert. Überhaupt blicken den ganzen Film hindurch die DarstellerInnen unerschrocken ins Auge der Kamera. Sie performen für die oder trotz der Kamera Liebes- oder Lustakte, nur um schließlich – wie soll man sagen? – aufzugehen in einem, die ganze Performance überkommenden Orgasmus, im Delirium des Spiels oder im Sonnenschein. Ihre Akte sind, obschon privat, immer performativ. Doch sind sie auch pornografisch?
Folgt man Angela Carters Buch »The Sadeian Woman« aus dem Jahr 1979, aus dem auch Exzerpte in Burns’ und Steiners Heft aufscheinen, ist Pornografie »Kunst mit Arbeitsauftrag« – ideologische Arbeit natürlich. Carter meint nämlich, dass der »moralische Pornograf« – trotz der historisch belegten frauenfeindlichen Tendenz der Pornografie – die Zwangsgeschlechterrollen sowohl auf der Leinwand als auch im Leben diskreditiere. Er sei ein »Terrorist der Fantasie«, der mithin zu »einer totalen Entmystifizierung der Fleischeslust und – durch die endlosen Varianten des Geschlechtsakts – zum Verständnis der wirklichen zwischenmenschlichen Beziehungen« verhelfen könne. Und so könnte es sein, dass »Community Action Center« – als Kunst und als Porno – nicht nur für die Polymorphie sexuellen Begehrens spricht, sondern zugleich auch die Frage aufwirft, was es bedeutet, sich selbst in Beziehung zu anderen zu begreifen, sich als Teil einer Gemeinschaft zu definieren und sich gemäß der Parameter dieser sozialen Einheit selbst zu empfinden. Damit erinnern Burns und Steiner auch an eine Frage, die Judith Butler in ihrer Kritik der ethischen Gewalt stellt: »Wie formt uns das soziale Leben, und zu welchem Preis?« Butler argumentiert, dass ethisch zu leben erfordere, »uns selbst just in den Augenblicken der Unwissenheit zu riskieren […], wenn uns die Bereitschaft, sich anderen zu öffnen, die Chance gibt, zu Menschen zu werden«. Wenn wir erst wir selbst werden können, sobald wir unsere Handlungen als mit dem Gemeinschaftsgefüge verzahnt erleben, dann findet das Ich, wie auch Burns und Steiner andeuten, im Sex (wenn auch vielleicht nicht ausschließlich im Sex) das Soziale. Das Private ist also immer noch politisch. Und das Sexuelle hat, obwohl es unschwer als starker Nexus zwischen diesen beiden Bereichen verstanden werden kann, immer noch die Kraft, uns zu überraschen, zu erfreuen und aufzurütteln.
Übersetzt von Thomas Raab