Heft 2/2013 - Artscribe


Rosa Arbeit auf goldener Straße

10. November 2012 bis 3. Februar 2013
xhibit, Akademie der bildenden Künste Wien / Wien

Text: Carola Platzek


Wien. Was heißt queer bzw. queere Kunst? Eine bestimmte Lebenshaltung? Sexuelle Politiken? Die Untersuchung von Machtverhältnissen unter und zwischen den Kategorien Ethnie, Klasse, Geschlecht? Die Rebellion gegen Kategorisierungen? Und wer versteht sich darunter wann? Der Begriff wurde in den letzten Jahren inflationär mit ungefähr allem gefüllt, was die Truhen der Widerständigkeit und Kritik herzugeben hatten und bot damit auch der Reaktion Einlass. Christiane Erharter und Dietmar Schwärzler haben mit der Ausstellung Rosa Arbeit auf goldener Straße dem ihrer Meinung nach gängigen Bild von „queer“ als Auseinandersetzung mit Körpern und Sexualitäten eine weitere, abstrakte Auslegung hinzugefügt. Die Ausstellung legt also eher Spuren entlang der Wahl von Material, Referentialität, Produktionsbedingungen und -schritten.
Viele hier gezeigte Arbeiten spielen mit Aussagen der Moderne, des Minimalismus und versuchen ihnen, wenn schon nicht einen Bruch, so doch eine Verstörung einzuschreiben. Gehen wir einfach davon aus, dass queer/queere Kunst immer Formen der Dekonstruktion aufnimmt und leistet. Nur – wann reicht das aus, um auch überzeugende künstlerische Arbeiten zu entwickeln? Reicht Kritik und eine behauptete Radikalität aus, um „offenlegende“ Bezüge, „andere“ Bilder zu entwerfen? Wann gelingt das am ehesten?
Katrina Daschner hat Bewegungen der queeren Burlesque in abstrakte minimalistische Grafiken übersetzt. Die Linien sind gestickt. Das sieht schön aus. Und doch wirkt es weitaus vorbildlicher als einbrechend rebellisch. Selbst wenn ein paar Fettflecken auf dem Stoff die Zwanghaftigkeit von Minimalismus unterlaufen, das Ganze bleibt trotzdem vielmehr in einer Angepasstheit hängen, an jenem Hype um die Überschreibung eines „männlich“ intellektuellen Formalismus der Moderne. Dessen Matrix wird jedoch nicht gesprengt.
Ein Bild von Ulrike Müller birgt eine andere Erhellung. Neben einem Yves-Klein-blauen Klecks ist eine Muslima collagiert, die offenbar Besucherin der Biennale von Kairo war, der Müller angehörte. Hier ist es im geradezu gespenstischen Sinne gelungen, eine Leerstelle der Moderne freizulegen, so beispielsweise im Akt jener Bevormundung beheimatet, der dem Eurozentrismus zugrunde liegt. Vielleicht kann diese problematische Sinnstiftung, die beanspruchte Entscheidungsmacht über symbolische Wertschöpfungen doch auch eine wichtige Frage aufbringen: Wo werden, unter den Bedingungen der Verkettungseffekte, die Ströme der Semiose durch Codierung stillgelegt? Wo wird Code zur Machtnahme?
Toni Schmales riesiger Buttplug ist unter anderem auch eine Referenz auf Arbeiten von Paul McCarthy, aber sie erhebt sich über eine einfache Einschreibung – es ist viel eher ein gelungenes spielerisches Augenzwinkern, was sowohl hetero- als auch homonormative Strukturen aushängen kann. Die Aneignung des Materials Beton hat nicht den Beigeschmack, sich zu simpel über die Wahl von Material einen revolutionären Gestus zu verleihen. Vielleicht liegt hier das Geheimnis darin, sich nicht die ganze Welt als Gegenüber zu verordnen. Genau durch diese Gelassenheit entsteht tatsächlich eine „neue“ Idee, ein anderes In-der-Welt-Sein, Ausdruck einer letztlich unbeirrbaren Lebenshaltung.
Besonders das Feld „queer“ als Kritik ist mit seinen hohen Ansprüchen öfter von einer Vermessenheit heimgesucht. Was allerdings selbst wieder eine Groteske und damit ein Stilmittel von queer werden kann.
Hans Scheirl begegnet der kuratorisch beschlossenen Feier seines Films Dandy Dust zuvorkommend. In einem rosa Dandydarm, frei von ästhetischen Nöten, hat Scheirl neben dem Film auf Minidisplay so ziemlich alles untergebracht, was Lob und Zeit ins Haus trug. Die Monstrosität des Infantilen winkt der Ordnung des Realen. Ohne seine selbst gewählte Metaphorik überstrapazieren zu wollen: Wenn ein Haufen goldener Scheiße als Produkt auf dem Boden liegen bleibt, vermittelt das Ganze doch ziemlich entspannte Fröhlichkeit.
Roee Rosen bietet ein Feuerwerk des süffisanten Spotts über Provenienzwahn, Entdeckermanie und Einteilungssucht der Kunstgeschichte. Ein Fake-Feature über die Wiederentdeckung der belgischen Künstlerin Justine Frank durch Rosen, deren „wieder aufgetauchte“ surrealistische Bilder aus den 1930er-Jahren erstaunlich unversehrt aussehen – Rosen gibt mit Frauenstimme und angemessener Garderobe eine Kunsthistorikerin, die sich wiederum von Rosen und dessen skandalauslösender Praxis distanziert. Justine Frank ist eine Namensschöpfung aus der Masochistin des Marquis de Sade und dem jüdischen Häretiker Jacob Frank. Die gesamte Konstruktion funktioniert als undurchschauter Fake genauso wie enttarnt, die jegliche Kritik an sich selbst mit bedenken kann und unterbringt. Perfekt, aber vor allem fantastisch frech. Und das löst sogar das letzte Problem: die Abgeschlossenheit von Perfektion.
Der Begriff der „queeren Abstraktion“, was immer das heißen mag, der von der Konferenz1 dann doch hinüberwehte, erfüllte sich vielleicht am ehesten in den Arbeiten von Viktoria Tremmel, aber auch von Stefanie Seibold. Tremmel zeigt verschiedene fragile Zeichnungen, die einen Spiegel in gleichnamigen Skulpturen erhalten. Die Baumarktutensilien der Skulpturen heben das zutiefst auratische Moment der Zeichnungen auf eine verblüffende Weise auf. Hier wird eine Vielstimmigkeit, ebenso wie ein Register von Lautstärke und die Möglichkeit des Korrektivs innerhalb der eigenen Arbeit inszeniert.
Stefanie Seibolds Skulptur nimmt die Form des Himmel-Hölle-Spiels auf, ein Prisma, dem eine Dreiecksform zugrunde liegt, innerhalb dessen man Quadrate findet, die man bewegen, mit den Händen aufbiegen kann. Neben dem Bezug zu einer lesbischen Sexualität ist es möglich, mit diesem kaleidoskopartigen Objekt je nach Kontext eine andere Inhaltlichkeit zu vermitteln – und die Arbeit sendet damit eine weitere Botschaft: jene der Gemeinschaft, der Solidarität, des Zugehörigseins. Seibolds Prisma fängt die Arbeiten der anderen KünstlerInnen im Raum ein und gibt ihnen unvermutet noch einmal Platz und Perspektive.

 

 

1 Dildo Anus Macht: Queere Abstraktion, 22. bis 24. November 2012, Akademie der bildenden Künste Wien, Konzept/Idee: Hans Scheirl, Jakob Lena Knebl, Ruby Sircar,
Tim Stüttgen Händle, Sophia Süßmilch