Frankfurt am Main. Es ist eine Tradition des Frankfurter Portikus, Ausstellungshalle der Städelschule, zur Frankfurter Buchmesse einen Künstler oder eine Künstlerin des jeweiligen Gastlands einzuladen. 2015 war dies der Indonesier Ade Darmawan, der im Portikus eine Einzelausstellung hatte. Ade Darmawan wurde 1974 in der Hauptstadt Jakarta geboren, wo er auch heute lebt und arbeitet. Nach seinem Studium am Indonesia Art Institute ging er für zwei Jahre an die Rijksakademie Van Beeldende Kunsten in Amsterdam. Seine erste Einzelausstellung in Deutschland nutzte Darmawan, um von seinem Land zu erzählen, einem Land, über dessen Geschichte bei uns im besten Fall stereotype politische Nachrichten kursieren. Bei seinen künstlerischen Arbeiten sind politische Ereignisse, wie Suhartos Putschversuch und die Gräueltaten während der Militärdiktatur nicht das Thema. Die Exponate lassen jedoch Rückschlüsse auf die Folgen der politischen Machtwechsel zu.
Die Ausstellung Magic Centre zeigt Alltagsgegenstände, die von Menschen erzählen, die sie benutzten, Dinge, die kundtun, was um sie herum geschah, Dinge, die ängstigten, aber auch solche, die beglückten. Eine Art Flohmarkt. In acht Aluminiumvitrinen sind die Habseligkeiten ausgestellt, mit denen wir uns ein Bild von der indonesischen Gesellschaft und ihren Erwartungen machen können.
Einfach ist das nicht. Unter Glas präsentiert finden sich zahlreiche Bücher aus dem Verlag Magic Centre in indonesischer Sprache und englischer Übersetzung. Das indonesische Verlagshaus war vor allem in den 1960er-Jahren durch seine soziopolitische Ausrichtung von Bedeutung. Ein besonderes Interesse vieler seiner AutorInnen galt dem gesellschaftlichen Klima in Indonesien während der Regierungszeit Sukarnos von 1945 bis 1967. Auffallend ist in diesen Schriften, was schon die Titel andeuten: die Konzentration auf den Einzelnen, sein Verhältnis zum Staat, zur Gesellschaft und zu sich selbst. Die Menschen sollten, so der Tenor der Bücher, ihr Selbstbewusstsein stärken. Das Streben nach einem erfüllten Leben sollte oberstes Gebot sein. Dazu gehöre der Einsatz intellektueller Fähigkeiten ebenso wie die Charakterbildung und das Bemühen, auch andere Menschen für die Arbeit an sich selbst zu begeistern.
Für EuropäerInnen ist dieses nicht nur in Büchern propagierte Lebensziel vielleicht überraschend. Es fehlt uns an Kenntnissen über die kulturelle Entwicklung in einem Land, das die Folgen einer jahrzehntelangen holländischen Kolonisation zu verkraften hatte. Die Herrschaft Sukarnos (1945–1967) war kommunistisch geprägt nach dem Vorbild der Herrscher blockfreier Staaten wie Nehru und Tito.
Die Exponate in den Vitrinen, vor allem Gegenstände des täglichen Lebens, bilden ab, wie kapitalistisches Denken und der Einfluss der Märkte an Boden gewannen. In Vitrinen verschiedener Form und Größe entdeckt man Pokale, Keramikfiguren, in Porzellan ein tanzendes Paar im Stil des französischen Rokokos als Lampenschmuck, ein Antilopengeweih und Modelle zweigeschossiger Häuser, die von vergoldeten Säulen getragen werden.
Ade Darmawan erinnert mit seiner Installation im Portikus daran, dass zu den verheerenden Folgen des Kolonialismus auch eine kulturelle Abhängigkeit gehört. Die IndonesierInnen umgaben sich mit Dingen, für die sich im Westen niemand mehr interessierte. Zusammen mit den auf wirtschaftliche Neuorientierung zielenden indonesischen Büchern sind solche Trophäen – in der Ausstellung ausschließlich gefundenes Zeug – ein Zeichen, dass westliche Produkte in indonesischen Häusern ein Statussymbol waren. In den Vitrinen stehen sie neben Schriften über Techniken, die zu Erfolg und Ansehen führen.
Entscheidend für Ade Darmawans Umgang mit Vitrinen sind weniger die darin ausgestellten Gegenstände als das Ausstellen selbst. Dazu gehört, als auffälligstes Exponat, ein aus Kronleuchterbruch montierter Riesenkronleuchter, der in der Raummitte von der Decke hängt und allem Glanz verleiht. Die gleiche Funktion erfüllen an den Wänden hängende bunte Fahnen, die, bedruckt mit den Covern von Büchern aus dem Verlag Magic Center, Flagge zeigen.
Die Ausstellung im Portikus konnte zu Missverständnissen führen. Sie richtete sich an BesucherInnen, die bereit sind, das „Zeug“ in den Vitrinen als „kleine Geschichten“ zu verstehen, die von Menschen erzählen und ganz nebenbei über Gegenwart und Geschichte Indonesiens aufklären.