Heft 2/2019 - Artscribe


bauhaus imaginista

Zusammenarbeit zwischen der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar, dem Goethe Institut und dem HKW

15. März 2019 bis 10. Juni 2019
Haus der Kulturen der Welt / Berlin

Text: Hedwig Saxenhuber


Berlin. „Das Berliner Haus der Kulturen der Welt will das Bauhaus für den Antifaschismus nutzen“, so die erzürnte Zwischenzeile des Feuilletons einer deutschen Qualitätszeitung am Eröffnungswochenende. Bedenkt man die kurze Zeit des Bestehens des Bauhauses (1919–33), die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland sein Ende fand, ist es gar nicht so falsch, Konzepte und Gedanken der extremen Rechten und Identitären in diesem Rahmen zur Diskussion zu stellen, wie es ein Teil des Eröffnungssymposiums tat. Der Autor verliert über den Inhalt der Ausstellung kein Wort, sondern blendet sein Wissen über opportune BauhäuslerInnen ein. Interessante Informationen, aber das zu zeigen ist nicht die Aufgabe des weltumspannenden Forschungsprojekts bauhaus imaginista, das die beiden KuratorInnen Marion van Osten und Grant Watson entwickelt haben. Vielmehr verfolgen sie damit die internationale Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Praxis und Pädagogik des Bauhauses vor dem Hintergrund der großen geopolitischen Veränderungen im 20. Jahrhundert. Der Transfer von Wissen durch Migration von Studierenden und Lehrenden, aber auch die Interpretation, Aneignung und Imagination unterschiedlichster Aspekte der Bauhaus-Konzepte in Nordkorea, Indien, der Sowjetunion, Japan, Brasilien, Großbritannien, Nigeria, Marokko und den USA zeigen, unter welchen lokalen Bedingungen neue Gestaltungsideen und Pädagogik aufgegriffen und weiterentwickelt wurden.
Für das Berliner Ausstellungskonzept bilden vier Bauhausikonen die Ausgangspunkte für vier Kapitel: das Bauhausmanifest (1919) von Walter Gropius, Paul Klees Entwurfszeichnung Teppich (1927), Marcel Breuers Collage ein bauhaus-film.fünf jahre lang (1926) und die Rekonstruktion von Kurt Schwerdtfegers für ein Bauhaus-Fest entwickelten Reflektorische Farblichtspiele (1922).
In Corresponding With werden zwei weitere Avantgardeschulen neben dem Bauhaus vorgestellt, die Teil eines kosmopolitischen Netzwerks waren und teilweise noch heute existieren, wie etwa die indische Kunstschule Kala Bhavan des Dichters Rabindranath Tangore. Das Konzept griff auf das alte indische Handwerk zurück, die buddhistischen Höhlenmalereien von Ajanta und Ellora sowie auch panasiatische Traditionen. Die in Wien aufgewachsene kosmopolitische Tänzerin und Kunsthistorikerin Stella Kramrisch, die in Kala Bhavan unterrichtete, initiierte 1922 die erste Ausstellung von Bauhaus-Meistern außerhalb Deutschlands in Kalkutta. Die Londoner Otholit-Group stellt die Atmosphäre von Kala Bhavan in einem filmischen Auftragswerk sehr einfühlsam nach. Eine andere Schule ist das 1931 in Tokio gegründete Forschungsinstitut für Lebensgestaltung des Architekten Renshichiro Kawakita, das ebenfalls dem modernen Handwerk und der industriellen Produktionsweisen mit japanischer Ästhetik verpflichtet war.
In der Sektion Learning From steht das Handwerk im Mittelpunkt, und zwar ausgehend von der künstlerischen Forschung zu außereuropäischen Handwerkstechniken und Alltagskulturen. Zentral sind Objekte und Stoffmuster aus der Sammlung von Anni und Josef Albers. Nach ihrer Emigration 1933 bekamen sie Dozenturen im Black Montain College in North Carolina, unternahmen von dort zahlreiche Forschungsreisen nach Peru, Kuba, Mexiko und Chile und sammelten indigene Handwerkskunst, die auch ihre Arbeit nachhaltig geprägt hatte. Der Einfluss der Webkunst der Anden war aber auch durch ethnografische Publikationen am Bauhaus schon vorhanden, dies bezeugt unter anderem der ikonische Wandbehang (Schlitzteppich) von Max Pfeiffer-Watenpuhl (1921), dessen außergewöhnliches Farbkonzept auf Johannes Ittens Farbenlehre zurückgeht. Präkolumbianische Figuren, Navajo Rugs, Netze, Webstücke von peruanischen Vorlagen, peruanische Spitze, Stoffmuster, ein Film zum Alltag der Navajo (Selbstrepräsentation). Die von Hannes Meyer herausgegebene Festschrift des Kollektivs TGP Mexiko Werkstatt für Populäre Grafik (1949) in Mexiko, in der Meyer und Lena Bergner wichtige Impulse als Teil des sozialrevolutionären Kollektivs erhielten. Zentrale Exponate der US Fiber Art Bewegung aus den 1960ern, Keramiken von der Pondfarm, eine Hippiekommune in der Nähe von San Francisco, in der Margarete Wildenhain, die erste Werkstattmeisterin des Bauhauses eine Töpferei führte. Die Dekolonisierung der Ecole de Beaux-Arts in Casablanca, in der auch Kontakte zu Bauhaus-Lehrer Herbert Bayer bestanden, der in den 1960er-Jahren in Tanger lebte, die Pädagogik der Architektin Lino Bo Bardi in Brasilien – sicher ist das alles nicht nur Bauhaus, aber sein Geist ist einer der Samen des Umbruchs in dieser beeindruckenden Fülle von Belegen.
Das Kapitel Moving Away zeigt die Migration und Veränderungen der Designdebatte nach dem Aufstieg der NSDAP. Nach der Entlassung des zweiten Bauhaus-Direktors Hannes Meyer wegen seiner Solidarität mit dem kommunistischen Studentenwerk geht er in die Sowjetunion (1930–36). 1931 folgten ihm sieben ehemalige Studierende nach. Alice Creischer beschäftigt sich mit der tragischen Biografie eines dieser Studenten, Philipp Tolziner, der in der Arbeitsbrigade von Ernst May am Bau der sozialistischen Stadt Orsk beteiligt war. Im Zuge der stalinistischen „Säuberungen“ wurde Tolziner 1938 festgenommen und zu zehnjähriger Lagerhaft verurteilt. Alice Creischer schafft ein raumgreifendes längliches Gebilde aus Weidenruten, die symbolisch auf seinen erlernten Erstberuf als Weidenflechter Bezug nehmen, setzt ein Haus in die amorphe Landschaft (Verweis auf den Zweitberuf), formt teilweise aus Originalzitaten eine papierene Buchstabenkette und bietet Material zur gegenwärtigen Debatte zum Kommunismus an. Eine Bild-Text-Konstellation von Doreen Mende reflektiert den Wiederaufbau der Stadt Hamhung nach dem Koreakrieg (1950–53) nach Konrad Püschels Masterplan, auch ein Bauhaus-Schüler. Arie Sharon, ebenfalls ein Schüler von Hannes Meyer, exportiert die Idee (1960–80) ins postkoloniale Nigeria. Sein Campus Ile Ife vereinigt Lehrkonzepte aus Dessau mit der Formensprache der europäischen Moderne und des Brutalismus im Sinne der nigerianischen Yoruba-Kultur. Ein einzigartiges Ensemble eines Campus entsteht, der mit seinen durchlässigen Strukturen, die dem Klima der Tropen angepasst mit fließenden Räumen und offenen Auditorien bis heute zu den Inkunabeln der Architektur des selbstbewussten Afrikas gehört.
Das vierte Kapitel Still Undead verfolgt die Spuren künstlerischer Experimente mit Licht, Sound und neuen Technologien an Kunstschulen und Universitäten wie dem Bauhaus in Chicago, dem Centre for Advanced Visual Studies (CVAS), dem MIT in Cambridge, Massachusetts und an der englischen Kunstschule in Leeds.
bauhaus imaginista ist kein Masternarrativ, welches die Geschichte eines transkulturellen Austauschs nachstellt, sondern es präsentiert ein Geflecht aus unzähligen kleineren und größeren Erzählungen, die ein dichtes Gewebe jener Projekte und Konzepte vorstellen, welche demokratische und postkoloniale Entwicklungen forcierten. Es ist auch nicht frei von Ambivalenzen, da manch eine ihrer Utopien in dem langen Jahrhundert zusehends in ihr Gegenteil umschlug.

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