Heft 2/2019 - Artscribe


Downtown Denise Scott Brown

22. November 2018 bis 24. März 2019
Architekturzentrum Wien / Wien

Text: Christa Benzer


Wien. Denise Scott Brown interessierte sich für die Zirkulation in einem Gebäude, also wie sich Menschen durch ein Gebäude bewegen. Es gab für sie nie nur eine Möglichkeit und auch im Ausstellungsraum des AzWs tun sich verschiedene Wege auf: Man kann sich dort dem Leben und Werk der bedeutenden Architektin und Urbanistin von links, von rechts oder auch in der Mitte, bei einer „Piazza“ mit Brunnen, annähern – das bleibt in Downtown Denise Scott Brown – so der Ausstellungstitel – ganz dem oder der FlaneuerIn überlassen. Maßgeblich ist, welche Schrift, welche Farbe oder auch welches Zeichen einen als Erstes anspricht: der Ständer, auf dem man üblicherweise die Angebote des Tages findet, das kunsthandwerklich gemachte Geschäftsportal, die Elektroshop-Fassade oder doch das große, weiße Objekt in der Mitte, auf dem „Ich bin ein Monument“ steht.
Davon ausgehend, dass die kommunikativen Aufgaben von Architektur im 20. Jahrhundert vernachlässigt wurden, haben Denise Scott Brown und ihr Partner und Ehemann, Robert Venturi, auf Form, Raum und visuelle Kommunikation von Bedeutung fokussiert: Über die Auseinandersetzung mit der Ästhetik und Symbolik von der amerikanischen Casino-Stadt haben sie in ihrem heftig umstrittenen Buch Learning from Las Vegas (gemeinsam mit Steven Izenour, 1974) die Kategorien des Gewöhnlichen, des Hässlichen, aber auch des urbanen Kontexts und des Sozialen in den Architekturdiskurs eingeführt.
In der von Angelika Fitz und Katharina Ritter gemeinsam mit Jeremy Eric Tenenbaum, einem langjährigen Mitarbeiter von Denise Scott Brown, kuratierten Schau, hat man ihre wegweisenden Überlegungen (etwa in Bezug auf das Anlegen von Plätzen oder die Einbeziehung des urbanen Kontexts) auch formal zu vermitteln versucht: Als Display fungieren riesige Abzüge von Wiener Geschäftsportalen, in die biografische und theoretische Meilensteine von Denise Scott Brown in Form von Zitaten, Fotografien, Plänen, Architekturfotografien, Büchern oder auch Objekten eingearbeitet sind.
„Ich nenne mich selbst die Großmutter der Architektur“, steht in Schreibschrift auf einer Tafel, die ein möglicher Einstieg in die Ausstellung ist: Denise Scott Brown wurde 1931 in Rhodesien, heute simbabwe geboren. Sie studierte in Johannesburg und später in London, wo sie ihr Architekturstudium abschloss. Dazwischen lernte sie ihren ersten Mann, den Architekten Robert Scott Brown, kennen, der 1959 verunglückte. „In zehn Tagen wisse sie wieder, wieso sie weiterleben soll“, sagte ihr eine Freundin. Es ist in Bezug auf das Leben von Denise Scott Brown eine der berührendsten Stellen, die man wie zufällig in der die Übersichtlichkeit hintanstellenden, fast puzzleartigen Zusammenstellung entdeckt.
Indem man ausschließlich mit Originalzitaten gearbeitet hat, führen Anekdoten aus ihrem Leben auch immer wieder an ihre theoretischen Überlegungen heran: Ausgehend von einer Auseinandersetzung mit Robert Venturi erfährt man zum Beispiel, dass es für sie einen Unterschied zwischen dekorativ und – und dem ihrer Meinung nach die Moderne herausfordernden – manierieristisch gegeben hat. Ein anderes Schaufenster/Kapitel ist mit dem Satz „Mir kann etwas Hässlicheres gefallen als dir“ übertitelt. Es handelte sich um ein Spiel des Ehepaares, das beim Autofahren gerne nach den hässlichsten Dingen Ausschau gehalten hat: „Und dann haben wir diese Dinge, die wir gehasst haben, verinnerlicht, was dazu führte, dass sie während unserer Arbeit irgendwo wieder herausgekommen sind.“
Ihr Plädoyer für die Miteinbeziehung des bestehenden, wenn auch hässlichen urbanen Kontexts basiert auf solchen Erlebnissen. So mancher fett und rot hervorgehobene Grundsatz bleibt aber auch plakativ: „Man bricht Regeln, weil man nicht immer alle Regeln aller Systeme beachten kann“, steht etwa auf einer Art Werbetafel. Inwiefern sie das auch angewandt hat, kann man schwer nachvollziehen, obwohl man auch Skizzen und Fotografien von realisierten Projekten – unter anderem dem Sainsbury Flügel der National Gallery in London oder das Mielparque Nikko Kirifuri Hotel in Japan – in den Schaufenstern sieht.
An einer klassischen Architekturausstellung waren die KuratorInnen freilich nicht interessiert. Vielmehr hat man Scott Browns Überlegungen wie im Bilderbuch (auch der Katalog ist wie ein Stadtführer konzipiert) zu vermitteln versucht. Im Wien waren Wiener Schaufenster also naheliegend. Sie sind durchaus illustrativ, „sprechen“ können die ausgewählten Auslagen aber nicht: So stellt sich etwa die Frage, wieso ein exklusives Wiener Uhrengeschäft der Hintergrund ihrer Argumente gegen die wiederholte Zuordnung zur postmodernen Architektur ist: Für sie gab es „Postmodernism“ und „PoMo“. Das eine sahen sie in den Gesellschaftheorien der 1960er-Jahre begründet, die PoMo-Architekten waren für Denise Scott Brown und Robert Venturi dagegen kommerziell und geschichtsvergessen.
Da man diese Überlegungen wie viele andere auch nicht dem einen oder anderen zuordnen kann, taucht Robert Venturi immer wieder ganz selbstverständlich als Teil der von Scott Browns favorisierten Arbeitsweise, der „Jointcreativity“, auf. Sie selbst musste dagegen schon nach Erscheinen von Learning from Las Vegas erfahren, dass man mit ihm über Theorie sprechen will und 1991 wurde auch ihm alleine der Pritzker-Preis für ein gemeinsames Projekt verliehen.
Eine Initiative der „Women in Design“-Gruppe in Harvard wollte eine nachträgliche Anerkennung bewirken. Leider blieb diese erfolglos, doch dafür hat Denise Scott Brown selbst Artikel zur „Psychologie von Sexismus und Star-System in der Architektur“ verfasst.
Wissend, dass sich daran bis heute nicht viel geändert hat, setzt Angelika Fitz in einer Schwerpunktreihe auf Frauen in der Architektur. Die Städte hätten, so die Leiterin des AzW, solche antiheroischen Positionen wie jene von Denise Scott Brown heute schließlich ganz dringend nötig – dem kann man nur zustimmen, auch wenn man in dem aufgebauten, teils fast nostalgischen Wien-Bild gerade eine etwas pointiertere Anbindung an das Zeitgenössische (unter anderem auch Hässliche) vermisst.