Heft 2/2020 - Artscribe


Bunny Rogers – King Kingdom

18. Januar 2020 bis 13. April 2020
Kunsthaus Bregenz / Bregenz

Text: Patricia Grzonka


Bregenz. Das Kunsthaus Bregenz zeigt erstmals in Österreich die US-amerikanische Künstlerin Bunny Rogers, die auf allen vier Ausstellungsetagen eine etwas morbide und absolut antiromantische Gesamtinstallation zum Thema Tod inszeniert hat. Jede der Ebenen stellt ein symbolisches begehbares Bild mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad dar – von irdischer Materialität im unteren Bereich bis zu einer lichten Leere im obersten Stockwerk, zu dem man über das schmale Treppenhaus des Zumthor-Baus gelangt. Im Erdgeschoss eröffnet das Thema mit der Realisierung des eigenen Grabs der Künstlerin – ein trauriger Haufen, mit welken, dunklen Rosenblättern übersät, zwischen denen blau schimmernde Schokoherzchen eingestreut sind. Ein gemaltes Selbstporträt auf einer Staffelei mit halbumgeschlagener Steppdecke lässt den Blick auf einen über die Schulter zurückblickenden lächelnden Teenager frei, dessen Haare mit einem Band zurückgehalten werden. Man denkt ein bisschen an Vermeers Mädchen mit dem Perlohrring, und ganz verkehrt ist diese Assoziation sicher nicht. Denn Rogers beschäftigt sich zwar vorrangig mit medialem Wissen aus dem Internet – und gerne wird in den biografischen Texten darauf hingewiesen, dass sie bereits mit neun Jahren ihre erste Website betrieb –, aber dennoch sind ihre künstlerischen Arbeiten ohne kunsthistorischen Background nicht denkbar. Im Gegenteil: Das Erscheinen einer Kunstikone wie Jan Vermeer als medialer Zombie steht hierzu nicht im Widerspruch.
Man kommt aber auch ohne Kunstgeschichte durch die Ausstellung King Kingdom, die vor allem von den Traumata rund um den Tod erzählt: Trauerkulte, Verdrängung, Depression. Bunny Rogers ist der Ansicht, dass der Tod in unserer Gesellschaft zu wenig repräsentiert wird, weshalb sie ihm auch eine Art dinglichen Altar errichtet, dem durchs Internet kursierende Todesereignisse materiell nachempfunden dargebracht werden. Ebene zwei ist der kollektiven Hysterie um den 1997 erfolgten Tod und die Trauerphase nach Lady Dianas Begräbnis – eines medial weltweit übertragenen Ereignisses – gewidmet. Das symbolische Grab ist nur noch ein Abfallhaufen, mit Plastik, Müll und Dreck übersät, die Party ist vorbei. Zeitschriften mit dem Bildnis der „Prinzessin der Herzen“, aber auch zerbrochene Hüllen der CDs von Elton John und Celine Dion, die den offiziellen Soundtrack zum Ereignis lieferten, liegen verstreut am Boden herum.
Zu diesem desolat-deprimierenden Gesamteindruck in grellem Licht gesellt sich ein intensives Geruchserlebnis: Wie schon im Eingangsbereich ist das Terrain hier als eine echte Wiese angelegt, eine aus Bregenz und Umgebung. Dem Göfiser Lieferanten und Rasenverleger kann auf dem YouTube-Kanal des Kunsthauses begegnet werden. Im Gegensatz zum reinen Wiesengeruch im Erdgeschoss mischt sich hier eine penetrante Fäulnis dazu; diese stammt vom ausgeschütteten Glühwein.
Man kann sich den düsteren, immersiven Settings der texanischen Künstlerin kaum entziehen, und tatsächlich zählt das Evozieren dichter Erfahrungsmomente auch zum Beeindruckenden dieser insgesamt stimmigen Schau. Doch man wundert sich über die simple Geste des Reproduzierens einer überproportionalen Aufmerksamkeit, die in digitalen Hypes, wie dem Tod von Lady Di oder dem Amoklauf an der Columbine Highschool von Colorado, liegt. Auch dieses Ereignis erlebt Rogers als kollektives Trauma einsam vor dem Bildschirm und widmet ihm eine Videoarbeit (nicht in Bregenz gezeigt). Beide Ereignisse fanden im selben Jahr 1997 statt, und für Rogers stellen sie offensichtlich eine Art Kumulation tragischer Massenphänomene in der Kindheit dar. Die Frage, ob diese paradigmatischen Ereignisse für mehr als für persönliche Identifizierungsszenarien taugen, wäre allerdings auf einer anderen, in Bregenz definitiv nicht vorgesehenen Ebene, abzuhandeln.
Als ob sich Bunny Rogers das selbst auch überlegt hätte, ändert sich die Tonart in den beiden letzten Ebenen: Hier wird es deutlich kühler und distanzierter, helles Grau und Blau dominiert, kein Geruch steigt mehr in die Nase, dafür tropft es im obersten Stock aus übergroßen Duschköpfen bedeutungsschwer vor sich hin. Die Vergänglichkeit wird spürbar: Die Zeit rinnt ab. Das überdimensionale Badezimmer – die 30.000 Fliesen wurden übrigens von der Dornbirner Fliesenfirma S+TILE verlegt – soll an die Duschräume von Schul- und Sporteinrichtungen erinnern. Die große Leere dieses Raums beinhaltet auch unangenehme persönliche Erfahrungen der Künstlerin aus ihrer eigenen Highschool-Zeit mit Gruppenduschzwang. Allerdings werden hier – zumal in Europa – auch Assoziationen an die Tötungskammern in den totalitären Systemen des Zweiten Weltkriegs geweckt: Im klinisch reinen Hygienewahn steckt auch das Szenario eines erbarmungslosen Auslöschungswillens. Rogers trifft dieses unheimlich-surreale Feeling ziemlich gut.
Die heute 30-jährige Bunny Rogers studierte in New York an der Parsons School of Design. Bekannt wurde sie mit einer frühen Einzelausstellung im Whitney Museum 2017. Die Ausstellung in Bregenz, ihre bislang größte, ist formal souverän gelöst. Das Kunsthaus mit seiner offenen Struktur kommt ihrem epischen „Hypertheater“, wie sie die Installationen selbst nennt, dabei sehr entgegen. Aber hinter der Souveränität der formalen Entscheidungen und der großen Gesten, mit der King Kingdom angerührt ist, lauert auch die Gefahr passiver Bequemlichkeit, indem für die BesucherInnen wenig mehr als eine reine Konsumhaltung im Hypertheater vorgesehen ist. Der Bonus des Gesamtkunstwerks, den man dieser multisynästhetischen Immersionskunst nicht absprechen möchte, lag immer in einer Überwältigung der Sinne und war dessen oberste Maxime. Für ZeitgenossInnen, die mehr Kontext und vor allem mehr Reflexionsangebote vorziehen, die über ein persönlich konnotiertes Erfahrungs- und Erinnerungsszenario hinausgehen, ist diese Ausstellung daher schlecht geeignet.