Innsbruck. Antonia Baehrs Video Könntest Du bitte einen Tag lang lachen? (2007) zeigt die Künstlerin bei der im Titel benannten Aktivität: Sie lacht, während sie sich am Morgen ankleidet, sie lacht beim Zähneputzen und beim Mittagessen. Das Lachen der Künstlerin, das mitunter zu einem Nach-Luft-Ringen wird oder durch einen einsetzenden Hustenanfall erstickt, ist angesiedelt zwischen Fröhlichkeit und körperlicher Erschöpfung. Im Rahmen einer zeitlich begrenzten Handlungsanweisung wird das Lachen bei Baehr zugleich zur strukturellen Form. Keine reaktive und impulsive Handlung, abseits von Authentizität und Spontanität, wird das Lachen nicht als Ausdruck subjektiver Empfindungen positioniert, sondern erscheint im Rahmen alltäglicher Handlungen als verwirrend und nahezu unangemessen. Verhandelt das Lachen das Verhältnis zwischen Innen und Außen, Subjekt und Welt, so macht dessen fehlender Kontext und mangelnde Lesbarkeit in Baehrs Arbeit jene Perspektive auf das Lachen deutlich, die der Gruppenausstellung im Innsbrucker Taxispalais in ihrer Gesamtheit zugrunde lag: nicht den Ursachen und Auswirkungen des Lachens nachzugehen, sondern dessen Rolle und Potenzial im sozialen Feld auszuloten.
Nach den mit LIEBEN und SEX ebenso suggestiv wie knapp betitelten Ausstellungen handelte es sich bei LACHEN um das letzte Projekt in der von Nina Tabassomi kuratierten Trilogie über „Alltagspraktiken, denen ein utopisches Moment innewohnt“. Eine Analogie zwischen Lachen und Gegenwartskunst stellte der Begleittext der Ausstellung her und verwies dabei auf einen Autonomiegedanken, der das Freispielen von gesellschaftlichen Konventionen in den Blick nehmen sollte. Zwar war Baehr noch mit drei weiteren „Lacharbeiten“ vertreten, darunter einer Reihe von verschriftlichten Partituren (2007) – Notationen, Beobachtungen und Instruktionen für lachende Subjekte –, die die Künstlerin im Freundeskreis in Auftrag gegeben hatte, in den übrigen Arbeiten der Ausstellung wurde das Lachen jedoch wesentlich weniger direkt in Szene gesetzt. Die Kuratorin hatte insgesamt fünf KünstlerInnen ausgewählt, die, wie auch Baehr, zumeist mehrere Arbeiten präsentierten.
Mittels jener Frage über die Konventionen mit und gegen welche sich das Lachen ebenso wie die Kunst positionieren, wurden die Arbeiten von Stefan Klampfer, Sophia Mairer und Iman Issa ins Spiel gebracht, die speziell für die Ausstellung entstanden waren. Klampfers unbetitelter Fotoserie und Siebdrucken gelangen dabei eine gekonnte Verschränkung und Hinterfragung von Traditionen des Cartoons und Alltagsgekritzels mit Aspekten des Ausstellungsdisplays. Cartoonartig gezeichnete Hunde erschienen als Siebdrucke auf der Unterseite zweier gestapelter Tische, deren Oberseiten – gleich einem Lokal nach Sperrstunde – aufeinanderlagen. Drei Fotos zeigten bühnenartige, mit abstrakten Miniaturgemälden behängte Raumkonstruktionen, an deren vier Rändern Tierplastikminiaturen sorgsam positioniert worden waren: Fischli und Weiss meets Mark Rothko in einem orientierungslosen Raumgefüge. Im Rahmen der Ausstellung war der Verlust der Orientierung in Klampfers Arbeit zugleich als Moment der Entgrenzung zu verstehen, der an den befreienden Aspekt des Lachens erinnerte, Situationen sozialer Unsicherheit aushebeln zu können. Waren Mairers räumliche Interventionen wesentlich direkter daraufhin ausgerichtet, die Betrachterwahrnehmung im Ausstellungskontext herauszufordern, so wirkte die Verschränkung mit den in ihren Arbeiten referenzierten Theorien des Lachens jedoch nur schwer nachvollziehbar. Eine Ananas (2019) aus Papier hing als Narrenkappe in der Raumecke und sollte auf Platons verlachten Philosophen Bezug nehmen, der beim In-den-Himmel-Schauen in den Brunnen fiel. Die gemalten Medusenköpfe von Medusa effect (2019) verwiesen, in den Fensterrahmen versteckt, auf die lachenden Gesichter an den Kapitellen im Foyer des Taxispalais ebenso wie auf Hélène Cixous bekannten Aufsatz aus 1975. Iman Issas Skulpturen #35 und #36 aus der Serie der „Heritage Studies“ (2019) gelang es hingegen, der Verknüpfung von Kunst und Lachen eine Dimension abzugewinnen, die über Fragen des Ausstellungsdisplays und der räumlichen Wahrnehmung hinausgingen. In ihrem Formenspiel zwischen Abstraktion und Figuration verwiesen die beiden Skulpturen der Künstlerin nur vage auf jene Objekte, die die museal anmutenden Wandlabels den BetrachterInnen ankündigten: eine goldene Kobra und eine Querrolle mit Landschaftspanoramen aus dem Fundus ethnografischer Sammlungen. Issas Arbeiten unterminierten aus der Verschränkung von Objekt und Text resultierende Signifikationsprozesse, die museale Displays bestimmen. Ähnlich Baehrs Videoarbeit überließen die Skulpturen den BetrachterInnen die Aufgabe, das Gesehene zu verstehen und im Rahmen des eigenen kulturellen Referenzsystems zu kontextualisieren.
Roee Rosens immer wieder aufs Neue verstörende Videoarbeit Hilarious (2010) über eine fiktive Stand-up-Comedyshow im Fernsehstudio fungierte am Ende der Ausstellung als krasser Reality Check. Persönliche und kollektive Traumata in einer Post-9/11-Welt aus Antisemitismus und Rassismus als Running Gag kollidieren lassend, gab Rosens Arbeit in der insgesamt gelungenen Schau einen Ausblick auf die ambivalente Rolle des Lachens an der Schnittstelle zwischen Aufrechterhaltung und Befreiung von gesellschaftlichen Werten und Konventionen: Humor an der Grenze zur Gewalt.