Krems. Kennt man die Arbeit des Filmemachers und Künstlers Josef Dabernig und die Ausstellungen von David Komary, dem Leiter der Galerie Stadtpark, weiß man, dass die beiden ein paar Dinge gemeinsam haben: Präzision und Strukturiertheit gehören dazu, aber auch die Vorliebe für die Leere: Rock the Void hieß Dabernigs Personale im mumok, wo seine weißen Projektionskojen optisch im White Cube verschwanden. Ähnliches lässt sich über die Ausstellungen von David Komary sagen: Josef Dabernigs Equally Not Nothing steht in dem Kremser Ausstellungsraum in einer ganzen Reihe von Präsentationen, bei denen man trotz riesiger Schaufensterscheiben von außen oft nicht allzu viel sieht.
Was man bei Josef Dabernig sieht, ist zunächst ein minimalistisches Raster aus neun Vitrinengestellen, drei neben- und drei hintereinander. In jeder Vitrine liegen zwei Serien aus Dabernigs Panoramensammlung, die jeweils aus einzelnen Fotografien bestehen: Oben liegt immer eine neun- bis zehnteilige Serie im Hochformat 13 x 18 cm, darunter eine kürzere, meist sechsteilige Serie im Querformat 10 x 15 cm.
Für die BetrachterInnen ist vorgesehen, dass sie sich langsam von Bild zu Bild, von Vitrine zu Vitrine bewegen und so gewissermaßen physisch die Fahrt einer Kamera nachvollziehen, um die horizontal ausgelegten „Rundumfotografien“, die Josef Dabernig durch einen Abstand zwischen den Bildern noch auseinanderzieht, im Kopf wieder zusammenzusetzen.
Gegenstand der Aufnahmen sind leere Fußballstadien, die der Künstler seit 1989 (das Jahr des Mauerfalls ist kein Zufall) auf die immer gleiche Weise fotografiert: Von der Mitte ausgehend schießt er einzelne Bilder, wobei es allein die Größe der Stadien mit sich bringt, dass ein Panorama dieser riesigen Architekturen nur gestückelt gelingt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Sportplätze in Rijeka, Pula und in den beiden armenischen Städten Mezamor und Kapan, die der Künstler auf diese spezielle, „händische“ Weise fotografiert hat. Überschneidungen und Fehlstellen sind so beinah unvermeidbar und auch die einzelnen Fotografien sind nicht perfekt. Zum Teil zu dunkel oder unscharf stehen sie vielmehr im Kontrast zu jenen Hochglanzfotografien, die heute jedes Smartphone macht.
An einer digitalen Korrektur ist Josef Dabernig freilich genauso wenig interessiert wie an korrekten Anschlüssen. Im Gegenteil: Durch die Einzelbildaufnahme fokussiert jede der bis zu zehn Fotografien quasi sein eigenes Zentrum. Man hat also nun zehn einzelne Zentren anstelle von dem einen, auf das die Architektur eigentlich den Blick ausrichtet.
Die Dekonstruktion der „Sehmaschine“ Arena (Dabernig) ist sehr subtil, allerdings verlangsamt die Präsentation auch die Lektüre der Bilder, womit man bei einer weiteren Gemeinsamkeit von Künstler und Kurator wäre: Beiden liegt eine Bilddurchlaufgeschwindigkeit à la Instagram fern. Ihnen geht es um die Entschleunigung und Konzentration des Blicks, was Dabernig auch durch die wiederholte Betrachtung, Neupräsentation und immer wieder leicht verschobene Rahmung und Neupositionierung seiner Panoramen gelingt.
An der Gelenktheit des Blicks interessiert, ist es zudem fast naheliegend, dass Dabernig immer auch zurück über die Schulter blickt. In seinem Film Wisla (1998) richtete er die Kamera bereits weg vom Feld hin zu zwei Trainern, die ein Spiel kommentieren, und in den Vitrinen in Krems liegt auch immer ein „Gegenschuss“, also jenes potenzielle, zweite Panorama, das sozusagen im Rücken des oben ausgebreiteten Stadions liegt.
Dabernig folgt in der Gegenüberstellung zwar auch realen Vorgaben, er orientiert sich aber auch an den Prinzipien der Montage, das heißt, dass das Gegenstück zur Hängebrücke zum Gandsassar Stadion in Kapan (2017) beispielsweise ein Innenraum, nämlich das Panorama der Lobby im Hotel Darist in Kapan (2017) ist.
Dieser aufschlussreiche und stete Wechsel zwischen den Wahrnehmungsdispositiven Film und Fotografie wird in der Ausstellung bereits im Eingangsbereich adressiert. Präsentiert wird dort der Film WARS (2001), mit dem man eine Spur vom Zugfahren über den Film hin zum fotografischen Panorama legt. Dabernig hat für den frühen schwarz-weißen 16-mm-Film eigens einen Zug gechartert, der von Krakau nach Warschau und wieder retour fuhr. Mit dem Schauplatz schließt Dabernig an an die Anfänge des Films, im Fokus steht aber nicht etwa die vorbeiziehende Landschaft, also eine Bildabfolge, sondern das (beinahe) statische Bild eines Speisewagens. Kellner und Kellnerin harren darin gelangweilt der Gäste, der Koch wirft einen Blick aus dem Fenster. Fast hat man den Eindruck, die Zeit steht still in dem dahinratternden Zug, doch plötzlich kommt doch noch Geschäftigkeit auf und die drei Angestellten beginnen, eifrig den Zug zu putzen.
Es sind absurd-aberwitzige Momente wie diese, die man in allen Filmen von Josef Dabernig findet, für die aber auch die modernistische Architektur und Ästhetik der sozialistischen Ära maßgeblich sind: seien es Züge oder Hotels, Spielhallen oder eben Sportarenen, die Dabernig als begeisterter Fußballfan auch im Osten immer wieder aufgesucht hat. Durch seine spezielle Art, sie zu fotografieren, schraubt er die Wucht dieser überwältigenden Architekturen auf ein erträgliches Maß herunter – man steht nicht mehr selbst in der Architektur, wenn man seine Panoramen betrachtet, sondern kann die verführerischen Strukturen vielmehr sehr nüchtern als Dispositiv der Macht und des Spektakels betrachten.