Berlin. Das Wort „Minstrel“ bezeichnet eine Form der Unterhaltung, in der afroamerikanische Kultur für ein weißes Publikum karikiert wird. Solcher Voyeurismus stellt ein Musterbeispiel rassistischer Strukturen dar. Er kompensiert nicht nur die mit dem Diktat des Ökonomischen verbundene Repression, sondern inkorporiert sie auch. Ohne das kreative Potenzial der Schwarzen würde der weißen Hierarchie der emotionale Tod drohen. Aber diese Leistung kann nicht wirklich anerkannt werden, weil Kultur generell im Verdacht steht, Aufbegehren zu provozieren.
Als Ulysses Jenkins in den 1970er-Jahren sein Kunststudium absolvierte, machte er bereits in ersten Videoarbeiten die Auseinandersetzung mit diesem Double Bind zum Thema und wandte sich der medialen Rolle des „Blackfacing“ zu, um die psychischen Verstrickungen Schwarzer Identität herauszustellen. Seine Videos nutzen mediale Techniken, um die Strukturen zu brechen, die dabei wirksam sind. Eher theatralische Inszenierungen der Stereotype werden gegen dokumentarisches Material geschnitten, das Schwarze Kultur in ein anderes Licht stellt. Oder der Künstler tritt selbst auf: als Gegengewicht im Kampf der Bilder.
In einer Soloperformance Just Another Rendering of the Same Old Problem (1979) kommt ein psychoanalytischer Aspekt zum Tragen. Beim Reinigen eines Fernsehgeräts taucht unter dem Tisch eine Schachtel auf, in der sich ein beiger Plastikpenis mit Fernsteuerung befindet. Die Spitze ist bereits schwarz bemalt. Nach dem Studium der Gebrauchsanweisung bereitet sich der Akteur auf seine Rolle vor, indem er Hemd und Hose auszieht. Eine silberne Shorts und Socken behält er an. Bald jedoch zieht er eine Pistole und richtet sie auf das problematische Ding.
Jenkins’ Sarkasmus beruht auf der Einsicht in die Unmöglichkeit einer Befreiung von jenen machtvollen Phantasmen, als ob es gälte, verschüttete Ursprünge wiederzugewinnen. Solcher Idee von Reinheit hält er vielmehr ein Selbstverständnis entgegen, das Schwarze Subjektivität als gesellschaftliches Produkt erkennt.
Ein virtuos geschnittenes Video wendet diese Sichtweise auf eine breite Palette medialer Faszinosa und ihre inhärente Propaganda westlicher Werte an. Nicht nur Bilder und Animationen, die schon damals jeder Show zu höchstem Glanz verhalfen, werden dabei subvertiert, sondern auch die medialen Techniken selbst, also jene Schnitt- und Überblendtechniken, die im Land der Illusionsmaschinen alles organisieren. Jenkins wendet die Effekte gegen den Strich. Als Schwarzem stehen ihm nicht unbedingt die besten Studios, das beste Equipment zur Verfügung. Er überarbeitet daher manche Videos später nochmals, doch dieser anfängliche Mangel erweist sich auch als Vorteil, sofern es darum geht, das hegemoniale Narrativ bis in seine technische Grundlage zu zerlegen. Mit zielgerichteter Unbekümmertheit durchstreift Inconsequential Doggereal (1981) disparate Bildwelten aus Film und Fernsehen und spart weder am Einsatz der Vorlauftaste noch an einer minutiösen Abstimmung der einzelnen Sequenzen und einer vielsagenden Tonspur. Vielleicht könnte man dafür einen Begriff wie Campvideo prägen, auf jeden Fall wirkt die polyphone Mischung mit ihren krassen Wechseln wie ein schwindelerregender Traum. Es ist nicht unbedingt ein Albtraum. Die Lust an der Brechung, an der Relativierung, an der Bloßstellung und Wiederholung plumper Effekte lässt sich als Wiedergewinnung von Souveränität erleben. Jenkins hat den Begriff „Doggereal“, abgeleitet von „doggerel“, „Knittelvers“, dafür geprägt. Er definiert ihn als Schwarz-kalifornische, multikulturelle Variante von DADA.
Schätzungsweise war Jenkins damit Pionier im anarchischen Umgang mit Medien. Allerdings musste die Anerkennung für diese Leistung auf sich warten lassen. Dass seine Hautfarbe eine große Rolle spielt, ist sicher; doch womöglich auch seine Weigerung, den Blick von unten ins Spektakuläre oder Arrogante zu wenden. Neben einer großen Zahl von Videostücken, die er schließlich in einem eigenen Studio produzierte, war er in zahlreichen Künstlergruppen aktiv und engagierte sich für die Belange nicht nur der Schwarzen Community.
In allen diesen Bereichen macht sich Jenkins für eine Praxis des Rituals stark. In seinen Texten stellt er es als Form der Gegenkultur dar, die die Normen imperialer Rationalität unterläuft und durch das kulturelle Potenzial der Peripherie ersetzt. Könnte bildende Kunst dem Erfolgsmodell Schwarzer Musik etwas Adäquates zur Seite stellen? Die Einbeziehung zeremonieller Formen durch zeitbasierte Medien und Performancekunst erschien jedenfalls als besondere Gelegenheit, andere Maßstäbe, andere Dynamiken einzuschleusen und eine Verbindung zu marginalisierten Kulturen zu schlagen.
In den Videos tauchen rituelle Momente verschiedenster Art auf. Regelmäßig ist etwa ein Freund dabei, der an Ort und Stelle bunte Sandbilder entstehen lässt. Oder er wertet ganz alltägliche Rituale spielerisch auf, deutet sie um. In einer live übertragenen Videoperformance zur documenta IX tritt er 1992 mit seiner Othervisions Art Band auf und macht mit eingeblendeten Straßenszenen und Songtexten auf Polizeigewalt und Rassismus aufmerksam.
Die Adaption von autark nutzbaren Medien und ihren Möglichkeiten dezentraler Distribution für einen Transformationsprozess, der Marginalisierten zu selbstbewusster Präsenz verhilft, war damals noch mehr als heute mit allerlei Tücken verbunden, die zu überlisten eine Menge Geschick erforderte, jedoch nicht zuletzt auch, wie Jenkins betont: eine Menge Humor.