Heft 2/2020 - Artscribe


Wally Salner – Abendakt 19h

5. Dezember 2019 bis 8. Februar 2020
Tiroler Künstler*schaft, Neue Galerie / Innsbruck

Text: Christian Egger


Innsbruck. Die Räume der Neuen Galerie der Tiroler Künstler*schaft im Parterre der ehemaligen Habsburgerresidenz Hofburg wirken ein wenig in diese gedrückt. Das Ausstellen dort ist also stets mit erheblichen Herausforderungen an die Präsentation von Arbeiten verbunden. Der in Wien lebenden Künstlerin und Designerin Wally Salner gelingt es aber, diese räumlichen Kräfte massiv auszuhebeln – etwa durch die gezielte, über den Tagesverlauf prozesshaft veränderte Lichtsituation oder auch die Installation eines Systems feiner Operationen, welches den BesucherInnen den Bezug zur ästhetisierten Ausstellungssituation permanent aufzeigt und der Künstlerin das Ausstellen überhaupt erst zu ermöglichen scheint.
Dieser Eindruck wiegt so stark, dass der „Total Look“, der diese Räume nun bestimmt und der die Quellen der vielfältigen Täuschungen nie preisgibt, Analogien zu dem bekannten Tischdeckentrick herstellt – durch schnelles Ziehen der Tischdecke finden sich die darauf befindlichen Objekte an derselben Stelle wieder, aber folglich ohne Tischdecke: Eine Ebene der Präsentation fehlt immer, wurde entführt, steht erst vor der Rückkehr oder wurde nachhaltig entsorgt. Man kommt eben nie drauf oder hat gerade die einzigen Aufklärung liefernden Millisekunden nicht aufgepasst.
In dieses Set der flirrend-feinen Destabilisierungen streut Salner nur einige wenige Arbeiten: eine Serie der mit dem Ausstellungstitel korrespondierenden, in Eichenholz gerahmten Aktstudien, zwei „Kopf an Kopf“ gestapelte Event-Stehtische, ein modulares Stangensystem oder ein, in Richtung des lokalen Prestigeneubaus, dem Haus der Musik, salopp über die Fenster der Neuen Galerie gehängtes Spannleintuch. Auch ein im Entree gezeigtes Mikrofaserbrillentuch, das mit einem zutiefst relaxten Künstlerinnen-Photoshop-Porträt (inmitten Salvadore Dalis ikonisch zerfließender Taschenuhren) und den Ausstellungsdaten im Font Fatherland Faker bedruckt ist, verhüllt einen weiteren Eichenholzrahmen und koppelt das Spiel mit repräsentativen Betriebsephemera als eigenständige Arbeit in der Ausstellung in einem zugleich offenlegenden wie verschleiernden Kurzschluss zurück. Eine weitere provozierte kontextuelle Berührung, die eine konstante Dynamisierung im gesamten Ausstellungsgeschehen bewirkt und darüber hinaus plausibel einer Verschärfung im zunehmend als ungleich wahrgenommenen Wettbewerb gegenüber überpräsenter digitaler Kunstbetrachtung das Wort redet.
Innerhalb dieser so zu steter Unruhe und Öffnung gebrachten, räumlich und zeitlichen Ausstellungsparameter arbeitet indes die fixe Setzung, der außerhalb der Galerieöffnungszeiten angesetzte, aber über die Ausstellungsdauer als Titel und Fiktion wirkende „Abendakt um 19.00 Uhr“ und die mit diesem bis heute verbundene künstlerische Initiation und das darin klassisch vermittelte Wissen im Medium Zeichnung: Proportion und Linie, Studie der Anatomie des Objekts, des Körpers im schwierigen Ausstellungsraum selbst.
Nicht nur vor dem Hintergrund, dass sich hier auch einem retrospektiven Mid-Career-Heimspiel (Salner ist in Galtür in Tirol geboren) inklusiv chronologischer Werkpräsentationen mit eindeutigerem Anliegen einfache Möglichkeit geboten hätte, inszeniert die Künstlerin die Ausstellung und die neuen Arbeiten eben darin als exemplarische Parade der Heraus- und Anforderungen zeitgenössischen Ausstellens insgesamt: als beschleunigte Echtzeitübersetzung einer Jagd von oder nach Signifikat/Signifikant und hält somit Werk und Autorenschaft in größerer Flexibilität und belebender Spannung.
Wally Salner hat in der Ausstellung Abendakt 19h biografische Spuren, kunsthistorische Bezüge oder auch aus Modescharfsinn kommende Displayanalysen trickreich versammelt, um Eingriffe in die Zeitlichkeit der Präsentation und spielerische Perspektivwechsel vorzunehmen, die das Fiktive der Neuproduktion und seine Veränderungspotenziale in der Ausstellung zur Auflösung der Linearität sowie die Grenzen von Werk und Betrachterumfeld vorführen.
Das alles lässt in einem auf die mythische Präsentation solcher Details maximal getunten Raum, dem man diese Eingriffe dann auch wieder kaum anmerkt und in den zum Zeitpunkt meines Besuchs gar die schwarzen Keramiklamellen des Hauses der Musik hineinreflektierten, andere Ausstellungsprojekte, in denen die hier angeführten Fragen nicht in dieser Präzision aufgeworfen werden, sehr leicht alt und bequem aussehen.