Heft 3/2020 - Artscribe


Heinz Frank 1939–2020


Text: Grabrede: Hermann Czech


Wer immer Heinz Frank gekannt hat, wird sich an seine Komik erinnern. Die Instrumente seiner Wirkung waren Sprache und Körper, das sind die Mittel des Schauspielers. Aber Franks Mittel gingen darüber hinaus: Schließlich war auch das Kostüm von ihm, und vor allem der Text.
Sein Witz konnte durchaus aggressiv sein – aber doch nie so verletzend, dass man nicht selbst lachen musste. Es muss erlaubt sein, auch an seinem Grab zu lachen: Ich half ihm einmal in einer Ausstellung der Galerie Winter, in der schwere Betonplatten zum Einsatz kamen, und eine der Platten kippte mir auf den Rist. Als ich daranging, den Schuh zu öffnen, sagte Heinz: „Schau net eine.“
Auch ich musste trotz des Schmerzes lachen. (Übrigens stellte sich heraus, dass eine ebenfalls dazwischengeratene Holzleiste den Schaden gemildert hatte.)
In dieser selben Ausstellung zeigte er eine abstrakt-geometrische Anhäufung von Eisblöcken, die nur bis zum Tag nach der Eröffnung existierte – Formen, die sich also auflösten und schon Franks späteres Motto verwirklichten: Ungeformtes umformen in Formloses.
Aber er hat nicht mit Kunstwerken begonnen. Das Kunstwerk ist eine „Nacherzählung“, wie er es nannte, „nur eine Vorstufe zu dem, wo man hinkommen kann, nämlich ein Papier und einen Stein unberührt zu lassen und trotzdem ein Mensch (Künstler) sein“. Dort also, wo man erst „hinkommen“ müsste, war er ja vorher; er ist von dort aufgebrochen.
Franks wenigen architektonischen Arbeiten lag nicht die von mir postulierte Methodik zugrunde, was zwischen uns zu unterhaltsamen Diskussionen führte. Ich respektierte die Erfahrung, dass Qualität auch aus anderen Quellen möglich ist; bei seiner Wohnung für Hans Neuffer – im Domus 1971 als seine eigene Wohnung publiziert – war ich als assistierender Mitarbeiter beteiligt.
Seine letzte Wohnung in der Guntherstraße ist eine Kostbarkeit, die erhalten werden muss. An die Architektur anschließend waren Franks zeichnerische Anfänge sachliche Utopien, sozusagen unmögliche Forderungen, so zum Beispiel der Gehverstärker, lange vor den heutigen Scootern, ja noch vor den eher entsprechenden Inlineskates.
Heute kann man Dreidimensonales digital ausdrucken – das entspricht Franks Utopie vom Allesmacher, 1971: „jetzt ist der allesmacher da“, schreibt er, „handlich, und macht es wahrscheinlich chemisch. [...] wir haben ihn zur hochzeit bekommen, sagt das junge paar, und sind sehr glücklich. [...] wir nehmen allesmacher und machen alles wie wir es uns immer gewünscht haben, gestern das bett und morgen das übrige. [...] wir freuen uns riesig, daß es klappt.
Wenn es nicht sitzt, verwenden wir den sogenannten alleslöscher, der alles löscht, und beginnen von vorne.“ Beigefügt war die Abbildung eines Kugelschreibers. Der Alleslöscher allerdings, der das Müllproblem löst, ist eine auch derzeit noch unmögliche Forderung.
Schließlich kommen Architekturfantasien auf seine Blätter, nicht nur räumliche, sondern solche von ungewöhnlichen Materialien und inhaltlichen Assoziationen.
Von Walter Pichler hat er sicher Wege der zeichnerischen Darstellung gewonnen, nur ist Franks Bestreben, wie Georg Schöllhammer schreibt, weniger auf Schönheit gerichtet; vielleicht könnte man sagen, nicht auf Vollendung. Dieter Roths Schokoladeplastiken sind ihm näher.
Wann Frank mit Plastiken begonnen hat, daran erinnere ich mich nicht mehr. Mit Franz West – zunächst auch einem Außenseiter – hat er eine gewisse Lässigkeit gemeinsam, aber in einem Interview von Christian Reder, 1988, sagt Frank, dass er nie „modern“ gewesen sei – „im Unterschied“, sagt er, „zum Beispiel zu Franz West, bei dem mir einiges gefällt, schon weil er von der Oberfläche her in einem ‚modernen‘ Sinn vieles negiert. Nur würde ich das nie so machen, weil er eben ‚modern‘ ist und ich nicht.“
Was immer Frank mit „modern“ meint – jedenfalls hat seine Sprache, nämlich seine Texte zu den späteren Plastiken, nichts mit seiner früheren sprachlichen Komik zu tun; seine Titel ziehen uns in eine ausweglose Spirale, die keinen Spaß mehr kennt. Die Sprache Franz Wests mag auch kryptisch und hermetisch sein; sie liefert jedoch humortauglichere Assoziationen.
Im selben Interview verweist Frank „auf die enormen Vorgaben in der Kunst, auf die wunderschönen Sachen, die es da gibt. Dabei hat mich dann zunehmend Kunst interessiert, die ursprünglich keine war. [...] Als Bub“ ist er „in Altamira gewesen und die Höhlenbilder haben mir schon damals unheimlich gut gefallen“.
Nach dem Vorbild der Kunst, die ursprünglich keine war, strebt er nach Sachen, die auch jetzt keine sind, und nennt sie auch so: Sachen. Er nimmt ungeformtes Material aus Gedanken, Bildern, Gefühlen, formt es um; und das Ergebnis ist Formloses. Wir haben das Motto gehört: Ungeformtes umformen in Formloses. Also Form zerstören (was nicht heißt: zerstörte Formen verwenden, wie das der illustrative Dekonstruktivismus missverstanden hat). Das heißt vielmehr Form nicht als bloße Form zulassen. Frank fragt sich, „warum [...] ausgerechnet das Formloseste in unserem Körper [nämlich das Hirn] interessiert ist, außerhalb von sich Form zu erzeugen“.
Mit Wolfgang Mistelbauer habe ich den Kampf von Adolf Loos gegen das Ornament verstanden als Kampf gegen jede Form, die nicht Gedanke ist. Heinz Frank ist gar nicht so unmethodisch, wie ich ihm vorhielt – während es in der Architektur Gedanken faktischer Art sind, sind es bei Frank Gedanken poetischer Art, die die bloße Form durch Inhalt aufheben – das „Loch“ zum Beispiel.
Franks formlose Sachen lassen nicht nach: weder im dreigeschossigen Keller von Erhard Löckers Antiquariat noch zum Beispiel 2014 in Lilli Holleins Vienna Design Week zwischen den Kristallkandelabern des Palais Schwarzenberg.
„I bin ka Künstler. Des Anzige wos i bin, is: am Leben.“ Das ist er nicht mehr; aber neben der Erinnerung bleiben seine Sachen.