Heft 3/2020 - Artscribe


2050 – nature morte/Kunst zum Klimawandel

8. März 2020 bis 30. Mai 2020
Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz / Berlin

Text: Michael Hauffen


Berlin. Unter dem Signum des Jahres 2050, an dem sich zahlreiche Klimaprognosen orientieren, wurden KünstlerInnen eingeladen, die Opposition gegen die destruktive Logik unserer Weltordnung zu unterstützen. Zwei tiefschwarze Porträts des blauen Planeten illustrieren das finstere Szenario, das der Untertitel nature morte drastisch benennt.
Sogar in unseren komfortablen Zonen lässt sich die Gefahr nicht mehr leugnen. Aber die Propaganda der Konzerne nutzt jede Gelegenheit, mit ökonomischen oder konsumistischen Imperativen prekäre Sachverhalte zu überspielen oder sogar zu tabuisieren. Anna Meyer kontert mit orgiastischer Landschaftsmalerei und beschwört mit diversen Parolen einen Aufschrei der Natur, ein rebellisches Manifest auch gegen eine entfremdete Expertenkultur. Meyers Installation befindet sich im öffentlich einsehbaren Foyer des Kunstvereins, so dass dieser symbolische Appell auch jenseits des Kunstsystems wahrgenommen werden kann. Oliver Ressler geht einen Schritt weiter und nimmt auf einer öffentlichen Plakatwand mit einem klimakritischen Motiv Stellung gegen die alltäglichen Fluggewohnheiten und den habituellen Zynismus, den die Leugnung der eigenen Verantwortung impliziert.
Einen anderen Pol bilden Kunstwerke, die mit leisen Tönen arbeiten, wie die Klasse für Kooperative Strategien von Christine & Irene Hohenbüchler. Deren Beschränkung auf eine Audiodatei mit fiktiven Dialogen zwischen Bäumen, die ihre Leiden verbalisieren, und die im Flüsterton vorgetragen werden, grenzt an romantischen Naturzauber. Ähnlich sympathisiert Andreas Templins nüchtern zitierte Geräuschkulisse des letzten Wirbelsturms in New York nicht mit spektakulären Schockerfahrungen, sondern sondiert die Pathologie unserer Coolness.
Dezidiert konzeptuell setzen die Arbeiten von Silke Wagner die Lage der Dinge in Szene. Auf goldenen mikrodünnen Rettungsfolien sind abstrakte schwarze Muster aufgedruckt, deren Sinn darin liegt, dass die prozentualen Anteile der geschwärzten Flächen, denen der Versteppung von Anbauflächen oder schon geschmolzener Gletscher weltweit entsprechen. Die ikonoklastische Geste transferiert auf ihre verschlüsselte Art allerdings Daten, die eigentlich jedem schon klar sind. Auch bei Almut Linde, die mit zehn räumlich kurzgeschlossenen Klimageräten auf ein ganzheitliches Verständnis von technischen Systemen abhebt, wird niedrigschwelliger Bildungskonsum angeboten. Denn dass solche Systeme nur in Teilbereichen effektiv sind, insgesamt aber die Probleme vergrößern, zählt zum Elementarbestand der Ökologie.
Und es geht nicht um die ökologische Krise allein, sondern um die drohende Zerstörung demokratischer Verfasstheit etwa durch die Spaltung der Gesellschaft in Bildungseliten und Prekariat. Fabian Knecht schlägt sich auf die Seite des Letzteren, wenn er auf einem Vordach gegenüber der Terrasse der Ausstellungsräume eine Art Slumhütte in Originalgröße installiert. Authentisch bis ins kleinste Detail dementiert sie im Schatten mächtiger Architektur den Glauben an das Versprechen von Wohlstand für alle.
Joulia Strauss hat sich zusammen mit Yash Bandhari – beide sind Angehörige indigener Minderheiten – dafür entschieden, vor der Videokamera ein kritisches Manifest im Gewand religiöser Rituale zu inszenieren. Neben einem der vielen Gewässer in Bangalore, die durch die Verseuchung mit giftigen Substanzen zur dystopischen Schaumlandschaft mutierten, zelebrieren sie Opfer und Gebete, nicht ohne ihnen eine moderne Wendung zu geben. „Please detox us from our political amnesia“, lautet eines der Mantren, das wir vom Standpunkt aufgeklärter Vernunft allerdings direkt an uns selbst richten müssten.
Aber wie sollten wir ohne neue soziale Verbindungen dazu in der Lage sein? Und ist es nicht die beste Idee der Kunst, temporär eine spielerische Wahrnehmung zu erzeugen, damit Solidarität in der Differenz entsteht? Die Malerei von Stefanie von Schroeter bricht jedenfalls mit der Logik alltäglicher Selbstkontrolle in Form einer provokativen Nachahmung der Kräfte der Dekomposition. Leinwand und eine Plastikente werden das Opfer einer lustvollen Attacke auf den schönen Schein technisch-ökonomischer Beherrschbarkeit. Fraglich ist doch, ob die ökologische Krise dem moralischen Versagen der Einzelnen angelastet werden kann oder ob das konsensorientierte Individuum nicht sogar einer strukturellen Gewalt in die Hände arbeitet.
Die Ausstellung mit ihren zahlreichen Facetten einer heterogenen Opposition unterstreicht damit nicht nur die Dringlichkeit einer Umorientierung, sondern bietet auch emotionale und kommunikative Gegenmittel an – gegen die globale Drift in eine tote Natur.