Heft 3/2020 - Artscribe


JOSEF BAUER Demonstration

2. Juni 2020 bis 4. Oktober 2020
Lentos / Linz

Text: Hedwig Saxenhuber


Linz. Sie war längst überfällig, die groß angelegte Personale des Künstlers Josef Bauer, die jetzt als Kooperation des Linzer Lentos mit dem Belvedere 21 in Wien stattfand. Mag sein, dass der internationaler Durchbruch des oberösterreichischen Künstlers auch deswegen spät kam, weil er nicht in Wien lebte – obwohl er in regem Austausch mit der Wiener Szene, unter anderem mit Gerhard Rühm, Friedrich Achleitner und Reinhard Priessnitz, stand und auch in Wien ausstellte.
Bauer teilt dieses Schicksal der späten internationalen Würdigung mit vielen KünstlerInnen seiner Generation, die nicht in die Geografien des Kanons der Neoavantgarde passen, jenen aus dem globalen Süden oder aus Osteuropa. Aber auch die Werke der aus Düsseldorf stammenden Chris Reinecke, des Belgiers Jef Geys oder des in Island geborenen und in Amsterdam lebenden Hrein Fridfiusson blieben lange ohne Beachtung. Es bedurfte der Neugier einer jüngeren Kuratorengeneration, um die konzeptuellen und in der Sprache verhafteten Positionen der Sechziger- und frühen Siebzigerjahre neu zu entdecken.
Dem mittlerweile 86-jährigen Künstler, der in seiner Jugend mehrmals Staatsmeister im Stabhochsprung war, ist sein Alter kein Hindernis. Dies zeigt die Ausstellung im Lentos, die er gemeinsam mit der Kuratorin Brigitte Reutner realisiert und dafür auch selbst die Ausstellungsarchitektur entworfen hat beeindruckend: zwei einfache Raumfiguren, die dem eher schwierig dimensionierten Raum einen luftigen und leichten Rahmen für seine Arbeiten und Installationen geben.
Josef Bauer erhielt seine Ausbildung an der Linzer Kunstschule, wo er Freundschaften mit Fritz Panzer und dem Düsseldorfer Hans Peter Feldmann knüpfte. Seinem Elternhaus, einem bäuerlichen Anwesen in Gunskirchen, ist er verbunden geblieben, das belegen viele seiner magischen Arbeiten, die in dieser ländlichen Umgebung entstanden, die ihm bis heute noch als Atelier dient. Dokumentationen von Aktionen wie Folientext (1969), Zeichen im Feld (1969) sowie Buchstabenfest (1970), einzelne Skulpturen von Buchstaben und Zahlen auf einer Obststreuwiese sowie auf dem elterlichen Acker. In der Serie des Herzeigens findet man auch OrtsbewohnerInnen, deren Herzeigeakte integraler Bestandteil der Kunstwerke sind.
Sprachlosigkeit war ein Phänomen der (Nach-)Kriegsgeneration. Wie andere KünstlerInnen traute auch Bauer der Sprache nicht mehr, sondern zerlegte sie, hinterfragte ihre Grammatik und Syntax und setzte diese neu zusammen. Die experimentellen Ansätze fanden bei Bauer ihre theoretischen Referenzen in Wittgensteins Sprachspiel, in der Theorie des Ulmer Kreises um Max Bense sowie bei den Bielefelder Kolloquien für konkrete Poesie ab 1978. Er gehörte in Linz zum engen Kreis um den Autor Heimrad Bäcker, der als Herausgeber und Verleger der edition neue texte mit der international kleinen, aber gut verlinkten Konkreten-Poesie-Szene arbeitete. Dort entstand auch ein enger Austausch zwischen Josef Bauer und dem zwölf Jahre jüngeren Künstler und Kunstkritiker Jiří Valoch aus Brünn.
Bauers spielerische Auseinandersetzung mit Sprache, seine Verräumlichung der Sprache, seine „Sprachdemonstrationen“ – wie die BuchSTABEN auf langen Stangen, die er über das Land oder durch die Stadt trug (Passion, 1973) – wurde in Bielefeld heiß und kontroversiell diskutiert. Denn die um 1966 begonnene Serie von Skulpturen aus Beton und später Polyester, die polymorphen Körpernahen Formen, die er programmatisch Taktile Poesie nannte, erweiterte das Konzept der visuellen Poesie um eine wesentliche Dimension, nämlich um den direkten spielerischen Gebrauch durch das Publikum: „Ausstellen ist immer ein Akt des Herzeigens, des In-Beziehung-Setzens einzelner Elemente“, so der Künstler, „das wiederum eine neue künstlerische Sprache erzeugt.“ Auch die Kombination der Sprachzeichen mit realen Objekten erweitert die engen Rahmen der Konkreten Konzepte, sie bezieht die Natur sowohl als Kulisse als auch als Bestandteil einzelner Arbeiten mit ein und lag damit weit vor ihrer Zeit: Original, Abguss, Rückgabe an die Natur, Abbild, Transformation usw.
Die Farbpalette von Bauer hat sich von der Nichtfarbe Weiß in den 1960er-Jahren über die RGB-Farben zu delikaten Farbstellungen in seinem späteren Werk erweitert. Im Komplex der Verfügbaren Pinselstriche (1995–97) setzt er pastose Pinselstriche mit Eigenleben, die Objektstatus entwickeln und vielfältig – auch in der Serie des Herzeigens (1966–2019) –integriert werden. Sie werden auch als Überblendungen für Fotos aus Modejournalen, Vintagefotos und Seiten von Musterkatalogen von Textilanbietern verwendet, in denen der Farbeinsatz ein Changieren zwischen Abdecken, Verdecken bzw. Aufmerksamkeitserzeugung darstellt. Auch die Soldatenserie (2011) und Serie NS-Skulpturen (2018) funktionieren nach diesem Prinzip. Sie sind als Reaktion auf die schwarz-blaue Regierung in Österreich entstanden.
Bauers Werk durchziehen Maßstabssprünge: Die Raumstudien (1968–2005) sind Miniaturbühnen, in denen Objekte und Menschen dargestellt sind, ein Alice-im-Wunderland-Effekt, die AusstellungsbesucherInnen sind um ein Vielfaches kleiner als die Ausstellungsgegenstände wie Steine, Buchstaben oder Texte.
Ein Perspektivenwechsel lässt sich auch in der Serie Internetfoto mit Pinselstrich (2018–19) ablesen: Den Künstler interessieren die BesucherInnen in Ausstellungen, die er im Internet findet und die er mit seinem pastosen Pinselstrich markiert bzw. überblendet und so Materialität in das digitale Bild bringt. Alle diese Arbeiten wirken ungemein zeitgemäß.
Oft verwendet Bauer auch das Kreuz. Als universelles Zeichen versucht es der Künstler schon im Frühwerk, mit dem Abdruck seiner Hand in Ton zu versehen, das motivisch dem heutigen Fingerprint oder der DNA gleichzusetzen ist, um dieses aus der Zuordnung des katholischen Milieus herauszuheben und zu neutralisieren. Solche Irritationen finden sich in Bauers Werk immer wieder, besonders offensichtlich bei den Zweifarbenbildern (2003) oder bei Doris –Installation mit Placebos (2001–19) die aus einer genderkritischen Perspektive kaum lesbar ist, phänomenologisch ist die Vorgangsweise einsichtig, doch der semantische Charakter bringt in Bedrängnis.
Leider war die Resonanz auf die Wiener Präsentation im Belvedere 21 verhalten. Die schwierigen Ausstellungsflächen des balkonhaften Obergeschosses dafür zu verwenden ist eben keine großzügige Geste für eine Ausstellung, die sich um die späte Repräsentation einer der interessantesten Positionen österreichischer Kunst im sprachkonzeptuellen und installativen Bereich bemühen will.